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■ Prostitution und Aids in MexikoDas Kondom als Visitenkarte

Mexico City (taz) – Claudia Colimoro ist eine ungewöhnliche Frau. Nicht nur, daß sie als Visitenkarten in Plastik eingeschweißte Kondome mit ihrem Namenszug verteilt. Oder daß in ihrer Wohnung leuchtend rote Plüschelefanten auf Kondomkartons thronen. Auch ihr Engagement ist nicht alltäglich.

Die Vierzigjährige ehemalige „Arbeiterin der Sexualindustrie“ betreibt Aids-Aufklärung in Mexiko-Stadt. Vor viereinhalb Jahren gründete sie ihre Organisation MUSA und ist damit die erste mexikanische Prostituierte, die sich an die Öffentlichkeit wagte. Auf dem diesjährigen Aids-Kongreß in Amsterdam wurde sie zur Abgeordneten und Sprecherin aller lateinamerikanischen Prostituierten gewählt.

„Mit dem Ansteigen der Aids- Fälle in Mexiko Mitte der achtziger Jahre wurden wir als Risikogruppe stigmatisiert“, erklärt die zierliche Colimoro mit der Baßstimme. José Maria Covarrubias, Gründer des Kulturkreises schwuler Männer, schlägt in die gleiche Kerbe. „Die Fehleinschätzung, daß Aids sich nur durch Prostituierte und Homosexuelle verbreitet, hat zu einer Hexenjagd geführt, die in der Ermordung von Schwulen gipfelte. Außerdem kostete dies viele Leben unter der Normalbevölkerung, die glaubte, vor der Seuche sicher zu sein.“

Doch seit dem ersten Aids-Fall in Mexiko registriert die staatliche Organisation Conasida im Jahr 1992 fast 11.000 HIV-Infizierte, Tendenz steigend. Jeder fünfte Neuzugang ist eine Frau. Die Ansteckung durch Prostituierte hingegen ist drastisch zurückgegangen, zumal dieses Geschäft nun ärztlicher Kontrolle unterliegt. Alle zwei Monate lassen sich die Prostituierten untersuchen. Eine weiße Karte mit Stempel weist die Person als „aidsfrei“ aus.

Das ist unter anderem das Verdienst von Colimoro und ihren KollegInnen, die versuchten, die geschätzten 200.000 weiblichen und männlichen Prostituierten dazu zu bringen, Safer-Sex-Methoden anzuwenden. „Manchmal“, so erinnert sich Colimoro, „verteilen wir mehr als 18.000 Kondome in der Woche.“ Die größte Schwierigkeit ist jedoch, diese Verhütungsmittel salonfähig zu machen. Am Anfang ging das Geschäft mit den Männern zurück, denn die Freier waren der Meinung, daß Sex mit Kondom wie Bonbonessen mit Papier oder Duschen im Regenmantel ist. Doch mit der Zeit lernten die Frauen des Gewerbes, das Präservativ zu verhandeln und zu erotisieren. Die Information über die tödliche Immunschwäche ist in Mexiko unzureichend. Die staatliche Organisation Conasida begann vor mehreren Jahren mit einer fortschrittlichen Aufklärungspolitik in den öffentlichen Verkehrsmitteln, im Rundfunk und im Fernsehen. Die katholische Kirche, vor allem aber die Opus-Dei-Gruppe Provida blockierten jedoch diese Kampagne erfolgreich.

So bleibt die Aufklärungsarbeit den 92 Selbsthilfegruppen überlassen, die versuchen, mit viel Phantasie die Mythen, die um den Virus kreisen, zu bekämpfen. Nur leider sind ihre finanziellen Mittel beschränkt. Der Staat gibt kein Geld. Denn die Regierung sieht Aids nicht als nationales Gesundheitsproblem an. Noch im April dieses Jahres verkündete der mexikanische Gesundheitsminister Jesus Kumate Rodriguez, Mexiko habe die Seuche im Griff, und die Neuinfizierungen seien rückläufig.

Diesen Optimismus kann Claudia Colimoro nicht teilen. „Schlimmer als die Immunschwäche ist die Ignoranz. Solange in Mexiko von staatlicher Seite in den Medien kein Klartext über Aids geredet wird, können wir als nichtstaatliche Organisation nichts ausrichten.“ Angela Isphording,

Uta Sturmhoebel

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