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■ Prominente Kohle für Kohl? LeserInnen sähen statt Schickeria-Applaus lieber Proteste, Aufklärung und strafrechtliche Konsequenzen.Solidarität mit dem Rechtsbruch

betr.: „Zur Kasse, Schätzchen!“ u. a., taz vom 9. 3. 00, „Kohl spendiert uns ein paar Namen“ u. a., taz vom 10. 3. 00

[...] Dass Helmut Kohl im Büßergewand herumwandelt, habe ich nicht erwartet, aber dass er, nachdem er jahrelang das Parteiengesetz mit Füßen getreten hat, nur mit dem Finger zu schnippen braucht und seine alten Freunde schaufeln ihm millionenhaft die Kohle rüber, ist schon atemberaubend. Das ist Solidarität mit dem Rechtsbruch! Da wird jeder Gesetzesbruch zum Spaziergang. [...]

Das Schlimmste am Ganzen ist für mich, dass der Steuerzahler für jede Mark Parteispende 50 Pfennig Zuschuss bezahlen muss. So werden wir alle direkt für diese Schweinereien bestraft. [...]

HANNELORE BASSET, Istein

[...] Es mutet schon seltsam an und lässt die Vermutung zu, hier wird gezahlt für das weitere Schweigen des ehemaligen CDU-Vorsitzenden und Ex-Bundeskanzlers. [...] Diese Sammelaktion bestätigt nur, wie korrupt das System Kohl und damit auch die gesamte CDU war. Wie sonst ist es möglich, dass bis auf wenige Ausnahmen diese Sammelaktion begrüßt wird. Diese Spendenaktion setzt dem Skandal die Krone auf und ist ein Schlag ins Gesicht derjenigen, die wirklich an Aufklärung interessiert waren. [...]

ALEXANDER SCHOCH, Waldkirch

Es gehört zu den elementarsten Geboten eines demokratischen Parteienstaates, dass die Parteien demokratischen Prinzipien entsprechen und die Herkunft ihrer Mittel, und damit der Einfluss bestimmter Bevölkerungskreise auf ihre Entscheidungen und Beschlussfassungen, für jedermann offen und ersichtlich ist. Ein Bundeskanzler verstößt in eklatanter Weise und nachhaltig gegen dieses Prinzip (und damit gegen das Grundgesetz), und statt Protest und strafrechtlicher Konsequenzen applaudiert ihm noch ein Teil der Schickeria. Jener Teil der Gesellschaft dokumentiert damit, dass er von demokratischen Erfordernissen nicht viel hält. [...] Es zeigt sich damit einmal mehr jenes tpyisch deutsche Führer- und Führungsverständnis, das Personen wichtiger nimmt als (verfassungsmäßige) Regeln und Gebote. [...]

HANS-DIETER ILLING, Darmstadt

[...] Einige Fehler können behoben werden. Stimmt wohl. Aber bei Herrn Kohl? Und der so heißenden Christlich-Demokratischen Union? Dort scheint es eine eigene, parteiinterne Ausgabe eines Lexikons zu geben. Schlägt man dort den Buchstaben F, wie Fehlerkorrektur/-behebung oder W, wie „Wiedergutmachung“ auf – so wird wohl nur ein einziges Synonym an dieser Stelle stehen: Geld!

Also, auf zur zweiten Runde in diesem Kaspertheater. „Begleichung einer Schuld, ‚Ausmerzen‘ eines Fehlers“. Und hoppladie, und hopplada – sieh an, sieh an, wie er es kann; der Kasper höchstpersönlich selbst hat es geschafft, und sich ein paar Statisten mitgebracht! Lauterbach, Glas und wie sie alle heißen – Applaus, Applaus für die „Starbesetzung“ hier, in diesem schlechten Marionettenspiel!

Hübsch seh’n sie aus, mit dem „Köfferchen“ in der Hand, da fließt die Gage reichlich, da wird man doch als „Schauspieler“ anerkannt! Und der Kasper auf der Bühne steht dort oben und lacht: „Nun, meine Kinder gebt fein acht, sie haben mir etwas mitgebracht.“

[...] Da ich ein fast unverbesserlicher Optimist bin, hoffe ich nach wie vor, dass es sie gibt: die Menschen mit Rückgrat, die sich erheben und laut schreien: nein, es reicht endgültig. [...]

REINER STÖVER, Hamburg

[...] Dr. Helmut Kohl hat als Bundeskanzler wissentlich und willentlich (schlimmer geht es nicht) Gesetze gebrochen. Wer Gesetze bricht, wird eigentlich durch das Gesetz bestraft. Vermutlich wird es keinen Staatsanwalt und kein Gericht geben, das den Mumm dafür aufbringt.

Also wäre es endlich an der Zeit, dass ihn die Medien bestrafen. Ich rufe zum journalistischen Boykott von Dr. Helmut Kohl auf. Meidet seine Auftritte, geht geschlossen nicht zu seinen Pressekonferenzen. Keine Bilder im Fernsehen, keine Fotos in den Blättern, keine Kommentare. Erst dann wird Dr. Helmut Kohl bemerken, dass er mit Bimbes nichts mehr ausrichten kann. [...]

EUGEN SCHLACHTER, Maselheim

Ich würde es begrüßen, wenn Sie die Diskussion über die Parteispenden versachlichen würden. Tatsache ist, dass Helmut Kohl Gelder für die Partei angenommen und dieser übergeben hat. Durch das Nichtangeben der Spender im Rechenschaftsbericht der Partei hat er einen Fehler begangen, sich zu keiner Zeit bereichert. Unabhängig von der aus meiner Sicht unangemessenen Übertreibung bei der Berichterstattung über diesen Vorfall, darf dies kein Freibrief sein, den Menschen Helmut Kohl als Person zu vernichten. Ich hoffe, dass den „gerechten“ Richtern dieser Tage bei eigenen Fehlern nicht selbiges widerfährt.

STEPHAN DORN, Neuhaus/Inn

[...] Wir müssen weiterhin an einer lückenlosen Aufklärung des gesamten „CDU-Spendensumpfes“ interessiert sein, denn es ist nach wie vor nicht widerlegt, dass die Regierungspolitik der 16-jährigen Kohl-Ära durch finanzielle Transaktionen aus der Wirtschaft manipuliert worden ist!

Und so ist es für mich in diesem Zusammenhang auch unbegreiflich und überhaupt nicht mehr nachvollziehbar, wie sich gerade Künstler wie Uschi Glas, Dieter Thomas Heck, Michael Holm oder Heiner Lauterbach für eine Sache einsetzen, die noch mit dem Makel der Korruption behaftet ist. [...]

THOMAS HENSCHKE, Berlin

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