Pro + Contra: Sind Mädchen Mathe-Deko?
Der Otto-Versand bietet ein Mädchen-T-Shirt mit dem Aufdruck „In Mathe bin ich Deko“ an und kriegt im Netz dafür richtig auf die Mütze. Zu Recht?
Pro
Immerhin ist das T-Shirt blau und nicht rosa. „In Mathe bin ich Deko“ steht drauf und wird vom Otto Versand für 4,99 Euro vertrieben – in der Sparte „Sprüche-T-Shirts“ für Mädchen.
Da wird also Eltern, die sich außer darüber, was man so für billige Klamotten bei Otto bestellen kann womöglich nicht allzu viele Gedanken machen, nahegelegt, dass es völlig in Ordnung, sogar voll witzisch ist, wenn ihre Tochter nicht rechnen kann, solange sie dabei gut aussieht.
Dekoratives Beiwerk, das dem Unterrichtsgeschehen nicht folgen kann – da lernt das Mädel schon früh seinen Platz im Leben kennen. Ziemlich schlechter Zeitpunkt in //twitter.com/search?q=%23aufschrei&src=typd:#Aufschrei-Zeiten so ein Klischee des naturwissenschaftlich unterbelichteten, weiblichen Geschlechts auszustellen. Das Bild ging bereits über //twitter.com/:Twitter und //www.facebook.com/home.php:Facebook rum und verursachte einen Shitstorm auf der //www.facebook.com/Otto:Facebook-Seite des Unternehmens, wo es zunächst eine fast ebenso stereotype Entschuldigung des Hauses gab, die jetzt aber die hochkochenden Emotionen aufgreift:
„Hallo zusammen, seit einigen Stunden erhalten wir kritische Stimmen zu T-Shirts aus unserer Kinder-Kollektion. Wir haben verstanden, dass einige von euch sich offensichtlich verletzt fühlen. Dies war nicht unsere Intention, zumal diese Kollektion aus der Feder von Frauen entstanden ist. Die T-Shirts sind bislang bei vielen unserer Kunden super angekommen und wir erhalten sehr viele positive Produktbewertungen auf otto.de. Daran könnt ihr ja schon erkennen, wie unterschiedlich diese Sprüche interpretiert werden können. Wir nehmen eure Meinungen sehr ernst, bitten aber auch um Verständnis, dass es andere Meinungen gibt. Viele Grüße euer Social Media-Team“
Der Hamburger Versandhändler Otto hat am Donnerstag das Kinder-T-Shirt mit dem Aufdruck „In Mathe bin ich Deko“ im Internet aus dem Sortiment genommen. Es wurde von vielen Otto-Kunden auf der Facebook-Seite des Unternehmens als diskriminierend angesehen. Andere Jugendliche, die sich an der Debatte im Netzwerk beteiligten, fanden den Spruch dagegen lustig und wollten das T-Shirt bestellen.
Schließlich reagierte der Versandhändler. „Wir haben veranlasst, dass dieses T-Shirt aus unserer Kollektion genommen wird“, teilte eine Sprecherin mit. Otto bedauere, dass das Unternehmen einen Eindruck erweckt habe, den es nicht gewollt habe.
Nun ja, trotzdem ist das T-Shirt sexistisch, denn auch Jungen können sich dank Otto-Sortiment zu ihrem mathematischen Defizit per T-Shirtaufdruck bekennen, allerdings nur mit einer „Mathe-Allergiker“-Aufschrift – so ganz ohne die pikante „Deko“.
Aber demnach scheint auch zu dem Traditionshaus Otto mittlerweile durchgesickert zu sein, dass Mädchen die Jungs in Sachen Bildung schon längst überholt haben. Vermutlich ist das T-Shirt nicht mehr als ein verzweifeltes Festhalten an alten Rollenbildern und nicht mehr oder weniger dämlich als der per T-Shirt zum Ausdruck gebrachte Besuch eines Hardrock Cafés irgendwo auf der Welt. Otto sollte schnell noch ein paar Exemplare mit „Kind, Küche, Kirche“, „blond und doof“, „hübsches Beiwerk“, „Ich bin eine Handtasche“ oder so nachlegen. Obwohl, gibt’s bestimmt schon längst. JULIA NIEMANN
Contra
Ich war in Mathe auch immer nur Deko und ich war nicht alleine. Zum Beispiel in der 11. Klasse: Ein männlicher Klassenfreund und ich ließen uns vom Klassenbesten immer in der Nacht vor der Mathe-Klausur erklären, wie diese Zahlen und Zeichen zueinander in Beziehung zu stellen sind und was dabei hinten raus kommen soll. Unangenehmerweise und zum nachvollziehbaren Erstaunen des Lehrers und aller Mitschüler schrieben wir beiden Vollpfosten immer die besseren Mathearbeiten als der Crack.
Aber das war auch irgendwie logisch: Wir verstanden von dem Kram, den wir da hingeschrieben hatten schlicht gar nichts. Wir hatten einfach nur auswendig gelernt. Für den Crack aber bedeuteten diese Dinger etwas, der dachte darüber nach. Für uns Nieten waren Sinus, Kosinus, binomische Formeln, Zeichen, die Zahlen darstellen, die wiederum durch irgendeine andere Zahl in einer angeblich bestimmten Weise nur teilbar sein sollten und mit Klammern und anderen Zeichen vorangestellt wiederum isomorph, asymptotisch, geordnet, reel oder natürlich werden würden einfach nur eines: völlig irre! Verstehen, zu was das alles gut sein sollte, konnten wir nicht.
Das mit Plus und Minus, Mal und Geteilt hatte damals schon noch begeistern können - es ließ sich nun relativ leicht feststellen, wieviel Geld man nicht hatte, um sich diese coolen Sneakers kaufen zu können. Ok, ganz eventuell erregte dieses Wahrscheinlichkeitsrechnen ein bisschen Aufmerksamkeit. Darüber konnte man sich so seine Gedanken machen, weil man hoffte, erkennen zu können, wie wahrscheinlich es ist, dass man in den nächsten Wochen das Geld für diese Turnschuhe endlich zusammen bekommt.
Den ein oder anderen erinnerte dieses Wahrscheinlichkeitszeugs entfernt an Gott, an dem man in der 11. Klasse so seine Zweifel hatte und am Ende könnte man ja vielleicht mit ganz einfachen Gleichungen ausrechnen, dass es den wahrscheinlich gar nicht gibt. Deshalb habe ich dann auch Mathe und Religion als Abiturfächer gewählt. Letzteres ein Fach, das jene Erwachsenen, die sich jetzt wieder mal so für Mathe ins Zeug werfen, bestenfalls für überflüssiges Dekozeugs halten. Aber wer bitte von diesen erwachsenen und sich über ein lustiges T-Shirt empörenden Mathe-Verteidigern könnte heute mal eben erklären, was diese oben stehenden – selbstverständlich gegoogelten – mathematischen Begriffe wirklich bedeuten?
Würde ich T-Shirts mit Aufdruck tragen, würde ich das Ding anziehen. Hätte ich eine Tochter, ich fänd's saucool, sie in dem Teil zu sehen. Mathe ist und bleibt für den Großteil von uns Nieten, egal ob weiblich oder männlich, Dekoration. Gebt es doch zu. DORIS AKRAP
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