■ Press-Schlag: Bezahlter Urlaub
Axel Meyer-Wölden schwimmt derzeit auf einer Welle des Erfolgs von geradezu hawaiianischen Ausmaßen. Gescheitert ist zwar sein Plan, der deutsche Mr. Olympia zu werden, weil die Berliner Bewerber glaubten, alles besser zu können und nicht erkannten, daß ihnen genau solch eine Person wie der umtriebige Doktor, Rechtsanwalt, Musikproduzent und Sportmarketingfuchs mit besten Wirtschaftskontakten fehlte, um wenigstens ein paar zusätzliche IOC-Stimmen ergattern zu können. Aber sonst läuft alles bestens. Mit Boris Becker, dessen „Anwalt und Berater“ (Becker) er jetzt ist, hat er einen dicken Fisch an Land gezogen, der im nächsten Jahr – vermutlich mit Hilfe von Nick Bollettieri, dem Erfolgstrainer mit dem Aussehen eines pensionierten Gigolos – sicher wieder akzeptables Tennis spielen wird, für Marc-Kevin Goellner hat er gerade rechtzeitig, bevor dieser in der Versenkung verschwindet, einen fetten Werbevertrag an Land gezogen und auch sein Lieblingsprojekt, der einst so umstrittene Grand- Slam-Cup, boomt.
Ins Leben gerufen wurde diese Veranstaltung vor drei Jahren, nachdem die Parkplatzrevolution der Tenniscracks die ehrwürdigen Herren vom Internationalen Tennisverband (ITF) ins Abseits gerückt hatte. Weil ihnen die ITF bei den US Open keinen Raum zur Verfügung stellen wollten, hatten sich die ersten hundert der Weltrangliste auf einem Parkplatz in Flushing Meadow versammelt und die Forderung ihrer Gewerkschaft ATP formuliert: mehr Mitspracherecht, weniger Turniere. Die Tennisfunktionäre blieben stur und mußten entsetzt zusehen, wie die ATP die Tour einfach übernahm. Was ihnen blieb, waren die Grand-Slam-Turniere, und um die ATP zu ärgern, erfanden sie flugs den Grand-Slam-Cup mit einem horrenden Preisgeld von zwei Millionen Dollar für den Sieger.
Aufrechte Tennis-Sozialisten wie Boris Becker, Mats Wilander, Andre Agassi oder John McEnroe durchschauten natürlich das üble Spiel und boykottierten die Münchner Show, doch je gieriger die ATP-Revolution ihre Kinder fraß und ihnen sogar mehr, statt weniger Turniere aufoktroyierte, desto schneller schwanden die Vorbehalte gegen dieses Turnier der 16 Spieler, die bei den Grand- Slam-Turnieren in Melbourne, Paris, Wimbledon und Flushing Meadow am besten abgeschnitten haben. Inzwischen kommt jeder gern, außer Jim Courier, der zu dieser Jahreszeit am liebsten in der Sonne brät.
Die Sponsoren, glaubt man Meyer-Wölden, reißen sich um das Privileg, dabei sein zu dürfen, Fernsehübertragungen in alle Welt füllen die Kassen und inzwischen gab sogar Ober-Rebell Boris Becker ein kurzes Gastspiel in der Olympiahalle. Grund zur vollständigen Zufriedenheit gibt es dennoch nicht. Zwar ist der Grand-Slam-Cup eine feste Größe im Kalender der meisten Profis, die sich dafür qualifizieren können, aber allzu ernst nehmen sie ihn deswegen noch lange nicht. Zu ungünstig ist der Termin lange nach Schluß der ATP-Tour. Wer nicht beim ATP-Finale oder im Davis-Cup aktiv war, hat eine sechswöchige Pause hinter sich und freut sich schon wieder auf den Weihnachtsurlaub, die Tatsache, daß es keine Weltranglistenpunkte gibt, macht die Sache für die ranking- orientierten Tennisspieler zum reinen, aber glänzend bezahlten Schaukampf.
Besonderer Ehrgeiz läßt sich bei den saturierten Tennisprofis aber selbst durch Dollarmillionen nicht wecken. Die meisten Erstrundenverlierer wirkten, als habe man sie gerade vom Strand weggeholt, ihnen einen Schläger in die Hand gedrückt und sie in die Olympiahalle verfrachtet. Aber auch die Sieger kamen oft lausig vorbereitet und äußern sich eher despektierlich. Von „aktiver Erholung“ sprach Michael Stich, obwohl er schon gern ein paar Matches gewänne, Pete Sampras meinte, er habe in den letzten Wochen erheblich mehr Golf als Tennis gespielt, und für Stefan Edberg, in den letzten Jahren sehr unlustig dabei, ist München diesmal nur wichtig, weil ihm Matchpraxis fehlt. Im übrigen sei es „hübsch, hier zu spielen, weil ich nicht viel Druck spüre“.
Bezahlter Urlaub also, wie es Eric Jelen einmal von der Tennis-Bundesliga sagte, und das kann Meyer-Wölden natürlich nicht zufriedenstellen. Das nächste Ziel muß also sein, ATP-Finale und Grand-Slam- Cup irgendwie zusammenzubringen, aber dafür müßten ATP und ITF erst mal wieder miteinander reden. Eigentlich kein Problem. Rund um die Olympiahalle gibt es wunderbare Parkplätze. Matti Lieske
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen