piwik no script img

Press-SchlagBetörende Aussichten

■ „Team Canada“ will in der deutschen Eishockeyliga DEL mitrüpeln

In den USA ist es eine ziemlich normale Sache , daß Profi- Sportvereine mal kurz von einer Stadt in die andere transferiert werden, wenn sie finanziell nicht klarkommen oder es irgendwo ein besseres Angebot gibt. Aus dem Eishockeyteam Minnesota North Stars wurden vor zwei Jahren unversehens die Dallas Stars, der Basketballklub New Orleans Jazz mutierte in den achtziger Jahren kurzerhand zu Utah Jazz, und seither fragen sich Unkundige verzweifelt, was ausgerechnet die biederen Bürger von Salt Lake City mit Jazz am Hut haben.

Was also liegt näher, als ein weitgehend beschäftigungsloses Team wie die kanadische Nationalmannschaft, die nur bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften zum Wettkampf antritt, in die große weite Welt zu schicken, um ihr ein wenig Matchpraxis zu verschaffen. Genau diesen Vorschlag machte die Canadien Hockey Association nun der neugegründeten deutschen Eishockeyliga DEL. „Team Canada“ soll sich nach dem Wunsch der nordamerikanischen Funktionäre in einer deutschen Großstadt, die bisher über keine DEL-Mannschaft verfügt, niederlassen und am regulären Spielbetrieb teilnehmen. Kanadische Wölfe im Schafspelz eines brandneuen Klubs wie Rasende Dackel Leipzig, Tote Fische Hamburg, Crazy Longhorns Stuttgart oder Rocky Racoons Bremen – eine betörende Vorstellung.

Das Echo auf den kühnen Vorstoß war durchaus geteilt. „Die Kanadier sollen in Kanada spielen“, forderte, um die Vormacht seiner Düsseldorfer EG fürchtend, Trainer Hans Zach: „Die haben genug Eis.“ Auch DEL-Geschäftsführer Franz Reindl wiegelt ab: „Wir haben erst einmal mit uns selbst genug zu tun.“

Angetan von der Idee ist hingegen Bundestrainer George Kingston, der es nicht ungern sähe, wenn sich seine Spieler ein paar kanadische Tugenden abschauen könnten. Er hofft, daß das schnelle und rauhe kanadische Spiel zur Verbesserung der Defensive hierzulande beitragen würde: „Aus der Defensive werden im modernen Eishockey die Spiele gewonnen.“ Auf „volle Hütten und tolle Spiele“ freut sich Stürmer Didi Hegen.

Bevor die puckgewandten College-Kids jedoch hiesige Eisflächen unsicher machen können, wären noch eine Menge Details zu klären. Zum Beispiel die Kleinigkeit mit der Ausländerklausel, die außer Kraft gesetzt werden müßte. Oder die zu erwartende Übermacht, besonders wenn kurz vor der WM wie üblich die Stars der in der NHL ausgeschiedenen Teams hinzukommen. Würden in der ersten NHL-Playoff- Runde zum Beispiel die Los Angeles Kings, Philadelphia Flyers und New York Rangers ausscheiden, sähe sich der arme Hans Zach plötzlich mit der Sturmreihe Mark Messier, Wayne Gretzky, Eric Lindros konfrontiert – eine ausgesprochen betörende Vorstellung.

Das aber geht auch Didi Hegen zu weit: „Es kann ja nicht so sein, daß die Kanadier Deutscher Meister werden.“ Eine etwas rückständig anmutende Meinung des Spielergewerkschafters in den Zeiten diverser Europa- und Weltligen und Internationaler Deutscher Meisterschaften in verschiedensten Sportarten. Weit angebrachter wäre es, entschlossen nach vorn zu schauen und zusätzlich die Integration von „Team USA“ in die DEL zu forcieren. Welch packende Matches wären zu erwarten, wenn die Bestrebungen der NHL, für Olympia 1998 Dream Teams zu bilden, erfolgreich verliefen.

Eine näherliegende Variante böte sich an, wenn die NHL- Cracks auch den neuen Kompromißvorschlag der Klubbesitzer im Arbeitskampf ablehnen und die Saison endgültig den Bach runtergeht: Aufstockung der DEL auf 44 Teams, sofortige Zusammenlegung mit der NHL. Eine immens betörende Vorstellung. Matti Lieske

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen