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■ Press-SchlagStadion bröckelt, Bankrott naht

Weniger die 0:1-Niederlage vom vergangenen Wochenende gegen den großen Konkurrenten Standard schmerzt die Fans des belgischen Tabellenletzten RC Lüttich, als vielmehr die Befürchtung, daß es die letzte gewesen sein könnte. „Es wird Zeit, daß jeder weiß, wo wir stehen“, sagt der geschäftsführende Vereinsvorsitzende André Marchandise: „Wir müssen der Situation ins Auge blicken.“ Tatsächlich ist die Lage des fünffachen belgischen Meisters fast aussichtslos: Der Abstieg ist nicht mehr zu vermeiden, dem Stadion droht der Abriß – und dem Traditionsverein die Auflösung.

Jahrelang lebte der Royal Club de Liège wie so viele Vereine der Liga weit über seine Verhältnisse. In einem Land, in dem Fußballvereine weder ihre Buchhaltung offenlegen noch um eine Lizenz buhlen müssen, ist die Versuchung groß, sich mit hohem Kapitaleinsatz den Erfolg zu kaufen. Auch der RC Lüttich, der zum letzten Mal 1953 die Meisterschaft errang, versuchte – ähnlich wie der KV Mechelen – mit der Verpflichtung teurer Profis in die traditionell die Liga dominierende Troika von RSC Anderlecht, FC Brügge und Standard Lüttich einzudringen. Der Lohn der Mühen – einige UEFA-Cup- Teilnahmen und der Pokalsieg 1990 – war teuer erkauft: Ende der vergangenen Saison hatte sich eine Schuldenlast von mehr als zehn Millionen Mark angehäuft, es drohte bereits der Offenbarungseid.

Mit Notverkäufen und einem Aufschub der Zahlungsfristen war es dem Interimsvorstand in der Sommerpause gelungen, den Verein vorläufig zu retten – dafür ziert die jugendliche Verlegenheitself von Trainer Daniel Boccar seit Saisonbeginn abgeschlagen das Tabellenende. Seit dem Bruch eines Stadionmastes im Dezember ist auch noch das baufällige Rocaurt-Stadion gesperrt. Da die RC-Fans etwaig im Sclessin-Stadion des Lokalrivalen Standard ausgetragene Spiele zu boykottieren drohen, ist der Verein vorläufig in das 30 Kilometer entfernte Eupen ausgewichen.

Langfristig bieten sich für den RC allerdings kaum noch Perspektiven. Eine Inspektion in der vergangenen Woche ergab, daß das eigene Stadion nicht mehr zu renovieren ist. Der Großteil der Schuldenlast muß im Juni an die drängenden Gläubiger- Banken zurückerstattet werden. Schon jetzt schießt Marchandise wöchentlich 50.000 Mark für den Zinsdienst aus eigener Tasche zu: „Aber“, gibt er zu bedenken, „niemand kann von mir verlangen, daß ich in dieses Faß ohne Boden noch weiter Geld pumpe.“ Kurzfristig plädiert der müde gewordene Vereinsgönner für eine Verlegung des Spielbetriebes nach Sclessin, mittelfristig für eine Fusion des RC Lüttich mit dem RC Seraing, einem weiteren Erstligaverein in Lüttich. Wird daraus nichts, sagt André Marchandise, „müssen wir den Verein auflösen.“ Thomas Roser

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