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Press-SchlagAllesamt echte Typen, die sich schinden

■ Zum ersten Mal, doch nicht zufällig, steht Dachau im Volleyball-Finale

Einiges passiert in Dachau. Die Journalisten dort berichten über runde Geburtstage in Wagenried, Bebauungspläne in Senkenschlag, Amateurkicks zwischen Massenhausen und Niederroth. Sie schreiben aber auch über Themen von überregionalem Interesse, internationalem gar. Des 50. Jahrestags der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau wird am 29. April gedacht. Die Redakteure basteln an Sonderseiten. Und ganz hinten im Sportteil sieht man mehrere Spalten breit lange Männer, die mit der Faust vehement gegen Bälle dreschen: Die Volleyballer des ASV Dachau stehen im Finale um die Deutsche Meisterschaft – zum allerersten Mal in der Vereinsgeschichte. Gegner ist der amtierende Titelträger Bayer Wuppertal, der in maximal fünf Spielen niedergerungen werden soll, zum ersten Mal am heutigen Mittwoch in Dachau.

Am vergangenen Montag trafen ASV-Trainer Stelian Moculescu und Zuspieler Matthias Häberlein im Bayerischen Fernsehen auf den penetrant-seichten Kumpel Rubenbauer. Moculescu (45), der schon mal die deutsche Nationalmannschaft trainierte, mit 1860 München und Milbertshofen Meister war, in Dachau allerdings seit vier Jahren auf einen Titel wartet, gab sich ungezwungen, plauderte darüber, daß beim ASV viel geflachst werde in dieser Saison; und daß der eine oder andere schon mal einen Kasten Bier mitbringe für eine Spontanfete. „Ein altes bayerisches Erfolgsgeheimnis“, volkstümelte Bayer Rubenbauer.

Nix da: In der Dachauer Stammsechs steht kein einziger Bajuware, vielmehr ein Holländer (der 2,14 Meter große Kapitän Martin van der Horst), ein Ungar (Sandor Kantor), drei Ostdeutsche (Frank Reimann, Dirk Oldenburg, Häberlein) und ein Norddeutscher (Andreas „Seppl“ Boettcher). Moculescu mag seine Mannschaft – insbesondere Zuspieler Häberlein, der gegenüber dem Trainer „große Augen, große Ohren und eine kleine Schnauze“ habe. Seine Spieler, allesamt Vollprofis, hätten zudem die Bereitschaft, sich „zu schinden“. Was Moculescu als keineswegs selbstverständlich angetroffen hat im satten Land der Wohlstandsjünglinge.

Und nicht immer konnte der in Rumänien geborene „Stelu“ mit Engagement, Wißbegierde und Loyalität seiner Spieler rechnen. Im vergangenen Jahr krachte und staubte es beim ASV. Spieler rebellierten, schossen verbal gegen den Trainer. Moculescu wartete nicht, bis der Pulverdampf verraucht war, schickte die Schützen fort, holte Reimann aus Falconara, Oldenburg aus Hamburg und Kantor aus Kaposvar. „Typen“ seien das allesamt, sagt der Trainer, „locker und selbstbewußt“. Jetzt stimmt die Mischung. „Es ist mehr Gemeinschaftsgefühl da als in den letzten Jahren“, sagt Boettcher, ein Altgedienter.

Sie mögen sich – und schlagen zu. Mit katapultartigen Sprungaufschlägen machen die angriffslustigen Dachauer durchschnittlich 14 Punkte pro Spiel, das ist fast schon der komplette Satz. Spezialisten: Kantor, Oldenburg und Boettcher, die reinhauen, als ginge es darum, möglichst viele Bälle kaputtzuschlagen pro Partie. Dem ASV kommt entgegen, daß die heimische Sporthalle ungewöhnlich niedrig ist: Wenn der Gegner die Sprungaufschläge abwehrt, knallt die Kugel schnell mal gegen die Decke. 80 Prozent dieser Angaben können vom Gegner nicht zurückgeballert werden – sind, wie im Tennis, Asse.

Der Unterschied: Der Volleyballer hat bekanntlich nur einen Aufschlag. Und? Dachau vermutlich nur eine Gelegenheit, Meister zu werden. Diese. Oder doch nicht? Auch wenn er in den 22 Jahren im Land außer einem keinen Klub kennen will, bei dem ähnlich professionell gearbeitet wird, sagt Stelian Moculescu: „Wir haben hier nicht alles auf einen Titelgewinn ausgerichtet“. Woraus folgt: „Wenn's nicht klappt, geht's auch weiter.“ Die erwähnte Ausnahme ist übrigens Bayer Wuppertal – der heutige Finalgegner. Gerhard Fischer

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