Press-Schlag: Gründlich weiblich
■ Frauen-WM: Polizistinnentruppe und entmännlichte Gesänge
„Es war ein großes Vergnügen, das Publikum zu sehen, daß sich kranklachte. Die Taktik bestand darin, daß alle, die es konnten, dem Ball hinterherliefen und ihn ziellos vorwiegend ins Aus beförderten.“ Das erste mit einer Reportage in der schwedischen Sportzeitung Idrottsbladet 1918 dokumentierte Fußballspiel zweier Frauenteams diente dem Reporter vorwiegend dazu, sich über die „berockten Amazonen“ zu amüsieren, die sich anmaßten, einen Männersport auszuüben. Über 70 Jahre sollte es noch dauern, bis der Frauenfußball es zu seiner ersten Weltmeisterschaft brachte. Und die Nachfahrinnen der einstigen Belustigungskickerinnen sind der Fachzeitschrift Fotball nun nicht mehr eine Randglosse, sondern mehrseitige Reportagen wert.
Vor allem mit der Geschichte des Frauenfußballs im Gastgeberland Schweden beschäftigt sich eine Ausstellung, die passend zu der am Montag beginnenden 2. Fußballweltmeisterschaft der Frauen im Sportmuseum von Stockholm zum Thema eröffnet wurde. „Wir sind Frauen – wir sind die Besten“ dokumentiert aber auch die Anfänge des „Damenfußballs“ im England der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts, als bei einem Spiel in London 53.000 Menschen die Ränge füllten. Drei Jahre später verbot der Verband den Frauen das Fußballspielen wieder: aus „gesundheitlichen Gründen“.
Anläßlich der Weltmeisterschaft machen die Fußballherren in Schweden erstmals Kronen für ihr Nationalteam locker, die für mehr als ein symbolisches Taschengeld reichen. Die Spielerinnen durften in der Vorbereitungsphase – immerhin gut 50 Trainingstage in diesem Jahr – sich ungewohnterweise nicht nur über angemessenen Ersatz für Verdienstausfall freuen, sondern es winken – auch dies ein Novum – regelrechte Siegprämien: 1.000 Mark pro Nase. Auch wenn vom Profisport noch weit entfernt – das Gesamtbudget für das schwedische Frauenteam liegt bei nicht einmal einer Million für dieses Spieljahr – lohnt sich damit doch erstmals der sportliche Erfolg auch finanziell.
Gründlich, wie man in Schweden ist, wurde nicht nur auf die sportliche Vorbereitung Wert gelegt. Das gesamte Umfeld der Weltmeisterschaft soll einen deutlich weiblichen Stempel tragen – bis hin zum Sicherheitsaufgebot. Kein männlicher Polizist soll am Spielfeldrand den Befehl führen, wenn am 5. Juni in Helsingborg die Schiedsrichterin das Eröffnungsspiel Schweden – Brasilien anpfeift. Auch wenn man – mangels Masse – auf die männlichen Kollegen nicht ganz verzichten kann, haben in den fünf WM- Arenen 48 weibliche Polizeioffiziere das Sagen. Kollegen, die diesen Beschluß beim Gleichberechtigungs-Ombudsman wegen „männlicher Diskriminierung“ meldeten, bekamen die Reaktion: „Glückwunsch zu der absolut gelungenen und ungewöhnlich guten Idee der Polizistinnenbefehlsebene.“
„Befreit von männlichen Ausdrücken“, so Mitverfasserin Asa Jinder, ist auch der schwedische Kampfgesang zur WM. „Wir wollten typisch männliches Sprachgut wie ,er gleitet hinein‘ oder ,jetzt packen wir sie‘ vermeiden.“ Ein Ansatz, der den Initiatorinnen manch süffisanten Seitenhieb in den Kommentarspalten einbrachte. Wofür aber das gelten kann, was die Polizistin Anna-Lena Barth, welche die Idee mit der weiblichen Polizeitruppe hatte, in bezug auf die Reaktion ihrer lieben Kollegen formulierte: „Wir haben ihnen ihren Porsche weggenommen. Das können sie nicht verkraften.“ Reinhard Wolff, Stockholm
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