Press-Schlag: Lästerzungen
■ Die Sünde des Bremer Ex-Trainers Aad de Mos: Verdacht auf loses Maul
„Alles bestens“, strahlte Werder Bremens Manager Willi Lemke, nach der Trainersituation befragt, am vergangenen Wochenende in die Fernsehkameras, und man ahnte bereits, was die Profis des Vereins am Dienstag erfuhren: Der Niederländer Aad de Mos ist der erste Coach der Bundesliga, der nicht wegen mangelnden Erfolges, sondern wegen übermäßiger Redseligkeit entlassen wurde. Ein „Bottenverein“, so Lemke, wäre Werder, wenn man den Trainer bloß deshalb rauswerfe, weil der Vizemeister nach dem rauschenden Abgang des großen Rehhagel zügig in die Abstiegszone rutschte, die Abwehrkette hühnerhaufig durcheinanderlief und die Stürmer, den de Mos'schen Hohn ständig im Nacken, es peinlichst vermieden, den Ball Richtung Tor zu bewegen. Nein, da mußten schon gewichtigere Gründe her.
Sprachlos: Aad de Mos Foto: AP
„Das wird nie etwas mit diesem Verein“, soll Aad de Mos in einer mutmaßlichen Mischung aus Alkoholseligkeit und Enttäuschung geäußert haben, als er nach dem unglücklichen Europapokal-Aus gegen den PSV Eindhoven sein heimisches Hotel aufsuchte, dort zufällig an der Bar vorbeikam und auf feiernde Vertreter seines früheren Klubs traf. Pfui, sagten die würdigen Hansestädter, als sie von diesem Sakrileg erfuhren. Mit dem siegreichen Feind saufen, wie ekelhaft. Aber es kam noch schlimmer. Mit von der Partie war ein belgischer Journalist, der die gräßlich ehrabschneiderische Äußerung des Werder- Coaches aufschnappte und sie mit gelinder Verspätung an den Spiegel weiterreichte. Dieser machte die Ketzerei publik und war nicht einmal nach Androhung einer Klage bereit, von seiner Darstellung abzurücken. Wie gemein! Unter diesen Umständen blieb den Bremern natürlich nichts anderes übrig, als den 48jährigen Trainer zu entlassen, weil sonst „der Druck auf Aad de Mos und die Mannschaft zu groß geworden wäre“ (Präsident Böhmert). Man kann sich bildhaft vorstellen, wie der Trainer und die Spieler während der Winterpause zitternd und schlaflos in ihren Betten lagen und immer wieder schreckliche Visionen von Spiegel- Schlagzeilen an sich vorüberziehen sahen. Und über allem in blutigen Lettern: „Mene, mene tekel upharsim. Aus diesem Verein wird nie etwas.“ Arme Kerle.
Nun ist es ja keineswegs das erste Mal, daß der Rauswurf eines Bundesligatrainers von der Presse bewerkstelligt wurde, aber noch nie wurde sie so explizit mit der Kolportierung einer privaten, halbwegs unbewiesenen und, mal ehrlich, reichlich läppischen Äußerung begründet. Nicht einmal Max Merkel hat ähnliches vollbracht. Der nächste Trainer in Bremen ist gut beraten, seine Zunge im Zaum zu halten, und da trifft es sich gut, daß der aussichtsreichste Kandidat nicht Udo Lattek, sondern Sepp Piontek heißt. Der nämlich soll, so verrieten uns wohlinformierte belgische Journalisten, wenn er betrunken ist, nur noch dänisch reden.
Im übrigen eröffnet der Fall de Mos den Medien völlig neue Perspektiven der Einflußnahme auf das Bundesliga-Geschehen. Wir zögern keine Sekunde, von diesen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, und behaupten hiermit folgendes: „Das Bier in Dortmund schmeckt wie Spülwasser“, vertraute Ottmar Hitzfeld einem italienischen Journalisten nach dem Champions- League-Spiel in Turin an. „Diesem FC Bayern fehlt jede Kultur, und das nicht nur spielerisch“, rief Otto Rehhagel während einer Laienspielaufführung in einem Münchner Altersheim, bei der er Nathan den Weisen verkörperte, aus. „Der HSV geht mir auf den Sack“ (Uwe Seeler). Wir bitten die Vorstände der betreffenden Vereine um sofortige Konsequenzen. Matti Lieske
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