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Press-SchlagEinseifen gilt nicht!

■ Hölzenbein tadelt Frankfurter Kältescheu

Wer erinnert sich nicht an Bernd Hölzenbein? Jenen unerbittlichen Wadenbeißer, der sich auf dem Spielfeld aufopferte wie kein anderer, unermüdlich die gegnerischen Schienbeine polierte, keinem Zweikampf aus dem Weg ging und, weder Wind noch Wetter fürchtend, rackerte, bis ihm die letzten Blutstropfen aus den Poren rannen. Ein Fußballer von echtem Schrot und Korn, unerbittlich... Halt! Stop! Aufhören. Wir sind im falschen Film. Flugs eine Videokassette aus den frühen Siebzigern eingelegt – und los geht's.

Aha, da läuft er ja. Bernd Hölzenbein, der filigrane Techniker, der gern hin und wieder ein Kunstpäuslein einlegte, vorzugsweise dann lief, wenn er auch sicher den Ball bekam, und in hohem Bogen durch die Luft flog, sobald er eine gegnerische Schuhspitze aus fünf Metern Entfernung sah.

Jener Bernd Hölzenbein, der heute Manager bei Eintracht Frankfurt ist und sich bemüßigt fühlte, die Gründe für die Niederlage seiner Mannschaft bei 1860 München folgendermaßen zu analysieren: „Den Unterschied zwischen beiden Mannschaften hat man schon daran gesehen, daß bei uns fünf oder sechs Spieler Handschuhe trugen, bei den Sechzigern kein einziger.“ Weichlinge allesamt, Memmen elende, die solch kälteresistenten Naturburschen wie Nowak, Trares oder Schwabl natürlich hilflos ausgeliefert sind. Wie soll auch jemand den Ball gescheit treffen, der sich schon von Väterchen Frost ins Bockshorn jagen läßt.

Ein wenig erstaunlich nur, daß gerade Bernd Hölzenbein diesen Satz sagt, den man eher von seinem alten Nationalmannschaftskollegen Berti Vogts erwarten würde und den der anno 1989 so ähnlich auch sagte: „Die unterschiedliche Einstellung hat man bereits beim Einlaufen gesehen. Die Stuttgarter trugen alle Handschuhe.“ Vermutlich die erste Gemeinsamkeit zwischen schlitzohrigem Linksaußen und brachialem Rechtsverteidiger, Schwalbe und Terrier. Woher mag sie wohl rühren, die überraschende Kongruenz? An Helmut Schön kann es kaum liegen, der trug sogar am Äquator eine Mütze. Wahrscheinlicher ist, daß beide auf einen Scherz von Sepp Maier reingefallen sind.

Wie dem auch sei, beim Eintracht-Coach Karl-Heinz Körbel wird Bernd Hölzenbein mit seiner Frostbeulen-Verdammung sicherlich offene Ohren einrennen, und die Freiburger sollten sich warm anziehen, wenn sie nächste Woche im Frankfurter Waldstadion auflaufen müssen. Sie werden sich einer Horde barfüßiger Gesellen mit nackten Oberkörpern gegenübersehen, Rückennummer und Werbeschrift mit Sicherheitsnadeln in die Haut gepierct. Doch wehe, wenn wir Bernd Hölzenbein dann wieder mit Mantel und Schal auf der Tribüne erwischen. Matti

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