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Press-Schlag„Diese Pfeife“

■ Vor seinem RTL-Event greift Berufsboxer Rocchigiani das Konkurrenzprodukt an

Als man ihn mit einem Knochen namens Michalczewski lockte, schnappte der Boxer überraschend zu wie ein Huskie, dem man einen Hausmeister hinhält. Oder andersherum. Die Fäuste am Ohr, den Kopf gerötet, hob Graciano Rocchigiani an zu sprechen von „dieser Pfeifen“, die „von ihrem Manager so gecoacht werde, daß er gar nicht verlieren kann“. „Leute“, das zahlende oder auch nur gaffende Publikum, würde „hier seit Jahren verarscht“.

Experte Rocchigiani redete von jenem Produkt, das das Unternehmen Sat.1 seit geraumer Zeit als veritables Fernsehereignis antrailert, die heute (22.15 Uhr) aus Frankfurt/Main live übertragene Halbschwergewichts-WM des Kollegen Dariusz Michalczewski gegen einen tatsächlich nicht reputierten Italiener namens Magi.

Warum Rocchigiani gestern in einem Berliner Hotel unvermittelt das tat, was er nicht mag, und zu quatschen anfing, ist so schwer einzuschätzen wie der Zustand, in dem der Berufsboxer aus dem Trainingsquartier in Miami, Florida, zurückgekehrt ist. Sicher ist nur, daß er im Moment noch sieben Kilo mehr hat als erlaubt, dafür den Mann losgeworden ist, der den Halbschwergewichtler im 16. Berufsjahr in eine neue Qualitätsklasse emporheben wollte. Trainer-Heros Emanuel Steward, hatte es, sagt Rocchigiani beleidigt, „nicht für nötig gehalten, sich um mich zu kümmern“. Na ja, „egal“. Er sei, sagt Rocchigiani „alt genug.“

Das ist wahr. 34 ist er, sein letzter siegreicher WM-Kampf liegt über sieben Jahre zurück. In seinen letzten sechs Kämpfen hat er dreimal verloren, einmal unentschieden geboxt. Danach folgten Episoden mit Hausmeistern, Polizisten und abgesagten Kämpfen, so daß der Mann nun „im Privatfernsehen ein kleines Problem ist“. Das sagt Michael Lion. Der ist Sportchef des theoretisch übertragenden Senders RTL und hat gemerkt, daß sich das kleine Problem nicht nur auswirkt auf Rocchigianis persönliches Defizit an Sponsoren, sondern auch „auf die Bereitschaft“ seiner Kunden, „sich einzubuchen“. Die Werbeinseln sind längst nicht alle verkauft für Samstag. Da aber läuft Rocchigianis Fünfmillionenvertrag mit Sauerland (und damit auch RTL) aus. Das ist kein Problem – wenn er am Samstag im zweiten Versuch gegen Michael Nunn (34) den vakanten WBC- Titel holen sollte.

Ein Problem hat er, wenn er gegen den womöglich richtig guten Nunn verliert. Sein Promoter Sauerland hat die „Absicht“ ihn weiter zu engagieren, aber Lion sagt, im negativen Fall müsse er das machen, was er Michalczewski empfahl, nämlich erst einmal richtig „aufbauen“.

Das wird für einen 34jährigen nicht einfach, auch wenn der sich in den letzten beiden Jahren geschont hat. Das Unternehmen, den Sohn eines sardischen Eisenbiegers mangels Alternativen zum Event-Nachfolger Henry Maskes zu küren, mag keiner bei RTL offiziell als schwere Bruchlandung bezeichnen. Das es hätte besser laufen können, mag auch Lion nicht bestreiten. Das, schätzt der, „würde er aber auch sagen“.

Im Moment noch nicht, da hat Rocchigiani noch den Vorwärtsgang eingelegt. Der Michalczewski-Promoter Klaus-Peter Kohl, sagt er, sei in Wahrheit „eine Lachnummer“. Lachnummer würde das, was in Frankfurt passiert, der RTL-Sportchef jedenfalls nicht nennen, aber „nicht zu vergleichen mit unserer WM“. Diese Annahme werden wohl die Quoten stützen. Es sei denn, es käme wie am 7. Februar: Da hatte Rocchigiani Fieber, den Ersatzfilm „Universal Soldier“ sahen gerade mal 2,9 Millionen. Peter Unfried

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