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Press-SchlagBitte keine „Late Show“

■ Raten Sie doch mal, wer unsereinem gestern abend die Zehen gelutscht hat? Eurosport?

Jetzt raten Sie gefälligst mal, was unsereiner gestern abend gemacht hat? An diesem Abend aller Abende? Stumpf irgendwelche Fußballaufzeichnungen auf Eurosport geguckt? Nicht ganz, aber knapp: Er saß zu Hause in Kreuzberg auf einem abgewetzten Sofa, kratzte sich ins Knie und glotzte „Das große Los“ mit Dieter „-“ Heck(scher). Klasse, klasse: Erst spielten prominente Paten für soziale Einrichtungen, dann spielten prominente Paten für soziale Einrichtungen, und dann spielten sogar noch prominente Patenkinder sozialer Einrichtungen („Modern Talking“).

Alles in allem darf man sagen: eine wunderbare Satire auf den Zynismus des Mediums Fernsehen, nach der im wesentlichen alles gesagt ist. Sozusagen eine Travestie des täglichen Fernsehirrsinns. Tja.

Eigentlich hatte aber der Abend anders sein sollen und auch alles anders angefangen.

Nämlich mit dem extrem lesenswerten Interview im Stern („Eigentlich bin ich ein schwäbisches Würstchen“). Dann dem extrem lesenswerten Interview in der SZ („Herr Schmidt, erinnern Sie sich noch an Augsburg?“). Dann dem (usw. usf.).

Montag abend, Dienstag abend, Mittwoch abend: Man kriegt im größten Suff irgendein Blatt in die Hand, und schon ist man mit einem extrem antithetischen Titten-Interview von Roger „Max“ Willemsen konfrontiert („Veronica Ferres – erotisch“). Ja, was denn nun?

Man läßt die Illustrierte entsetzt fallen, schaltet halt mal reflexartig und bisweilen nur wegen des besseren Lichtes den Fernseher ein – und kriegt keinen Telefonsex angeboten, obwohl man das erst denkt: in halbminütigen Abständen kommen der Regisseur Dietl, der Dietl-Schauspieler Gottschalk, der Dietl-Schauspieler Schmidt, die Dietl-Schauspielerin Vroni – und wenn man Pech hat sogar noch die Dietl-Schauspielerin Tabatabai. Und stöhnen: Wähle „Late Show“. Da lutschen wir dir die Zehen, wie sie dir noch keiner gelutscht hat.

Was sagen Sie? Man muß ja nicht fernsehen. Genau. Am Donnerstag morgen erging daher der Beschluß, sich sicherheitshalber nur noch des Mediums Radio zu bedienen – und aaah, Dietl. Hahaha, wie er den Schmidt an den Zehen der Tabatabai lutschen ließ. Schmidt nahm sogar die Brille ab, aber wem wollte man das noch sagen? Der Satz läuft in der Heavy rotation.

Jedenfalls: Es war seit Jahren dem dumpfsten Sportheini klar, daß selbst er am Eröffnungsabend in den Film zu rennen hatte. Und gestern lief „Late Show“ an. Aber als es Nachmittag wurde und man sich durch die Nachrichtenagenturen las („Drama in Drama“), wußte man schon ... es ging nicht.

Und man kann wohl bereits jetzt sagen: Es wird auch heute nicht gehen, nicht morgen und überhaupt nicht mehr.

Gestern erklärte Bild, warum: „Helmut Dietl nennt das Übel jetzt endlich beim Namen“ – er nannte es „Late Show“.

Also: Wenn man sich schon etwas besorgen lassen will, dann macht das am besten immer noch Heck. Und damit zurück zum Sport. Peter Unfried

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