Premier lehnt Neuwahlen ab: Thailands Hauptstadt sieht rot
100.000 "Rothemden" demonstrieren in Bangkok und fordern Neuwahlen. Der Ministerpräsident hat diese am Montag abgelehnt – es droht eine Verschärfung der Proteste.
BANGKOK taz/apn | Mit Hupen, Pauken und Trompeten fährt ein Konvoi an kleinen Bussen und Lastwagen vor. Sie sind voll mit Demonstranten. Bei durchschnittlich 36 Grad rinnt ihnen der Schweiß von der Stirn, aber sie strahlen. "Abhisit muss zurücktreten!", rufen sie. Die meisten der "Rothemden", wie sie wegen der Farbe ihrer T-Shirts genannt werden, sind hunderte Kilometer aus dem Norden und Nordosten in die Hauptstadt gereist, um an diesem Wochenende mit dabei zu sein.
An diesem Wochenende haben sie der Regierung ein Ultimatum gestellt. Bis Montagmittag sollte Premier Abhisit Vejjajiva das Parlament auflösen und Neuwahlen ausrufen. Rund 100.000 Menschen zogen am Montag vor die Kaserne des 11. Infanterieregiments in Bangkok, wo sich Ministerpräsident Abhisit Vejjajiva in den vergangenen Tagen aufhielt. Den Marsch auf die Kaserne hatten sie bereits am Wochenende angekündigt. Sie drohten auch damit, die Zentren der Regierung lahmzulegen, wenn ihre Forderung nach Neuwahlen nicht erfüllt werde.
Ministerpräsident Abhisit wies die Forderung nach Neuwahlen zurück. Die Regierung sei aber bereit, die Vorstellungen der Opposition anzuhören, sagte er im Fernsehen. Wie alle Thailänder wolle auch die Regierung, dass das Land vorankomme. Der Regierungschef soll sich inzwischen nicht mehr in der Kaserne aufhalten. Er sei am Montagmorgen mit einem Hubschrauber ausgeflogen worden, berichtete der Fernsehsender INN.
Die Rothemden sind mehrheitlich Anhänger von Expremier Thaksin Shinawatra, der im September 2006 vom Militär gestürzt worden war. So wie Songsuri Kulsumaso, ein Vietnamveteran. "Thaksin hat vielen Menschen im Land geholfen, während die jetzige Regierung nur redet, aber nichts tut", sagt der 71-Jährige.
May ist sogar aus Deutschland angereist: "Ich liebe Thaksin, weil er so viel für die armen Leute getan hat." Für seine Anhänger bleibt der umstrittene Expremier ein Held. Ein vor kurzem ergangenes Urteil des Obersten Gerichts, dem zufolge mehr als die Hälfte von Thaksins eingefrorenem Vermögen von umgerechnet 2,2 Milliarden US-Dollar nun beschlagnahmt wird, sehen sie als politisch motiviert an.
Eine Million Menschen wollten die Anführer der Roten mobilisieren – doch am Sonntag blieben die Zahlen hinter den Erwartungen zurück. Bis zum Abend waren es etwas über 100.000 Protestler. Die Kundgebung verlief bislang friedlich – doch in den Reihen der Rothemden brodelt es. Sie protestieren gegen das Establishment und gegen jene Militärs, die Thaksin aus dem Amt geputscht hatten.
Der jetzige Premier Abhisit habe keine Legitimität, das Land zu regieren, so die Roten. Die Abhisit-Regierung war im Dezember 2008 unter dubiosen Umständen an die Macht gekommen. Nachdem Thaksins Anhänger die Wahlen von 2007 gewonnen hatten, startete im Jahr darauf ein Anti-Thaksin-Bündnis Aktionen. Anhänger der Volksallianz für Demokratie belagerten 2008 den Regierungssitz und beide Bangkoker Flughäfen.
Sie zogen erst ab, nachdem Thailands Verfassungsgericht die damalige Thaksin-treue Regierungspartei People Power Party aufgelöst hatte. Der Vorwurf lautete auf Wahlbetrug - für Kritiker ein beliebiges Argument, weil Thailands politisches System für Korruption und Vetternwirtschaft berüchtigt ist. Zu guter Letzt hatten führende Militärs bei der Bildung der Koalition massiv Druck ausgeübt.
Der Putsch gegen Thaksin hatte machtpolitische Gründe: Er und seine Clique von Wirtschaftsbossen hatten begonnen, einer Elite aus konservativen Militärs, Technokraten und Bangkoker Geldadel ihren Einfluss streitig zu machen. Die Wähler, die Thaksin unterstützten, waren arme Reisbauern im Norden und Nordosten sowie Arbeiter und Tagelöhner in den Städten. Ein großer Teil der Rothemden stammt aus armen Regionen des Nordens und Nordostens. An ihrer Seite stehen auch Menschen aus gehobeneren Schichten. Von ihnen ist nicht jeder ein Thaksin-Anhänger, aber sie alle sind gegen einen neuen Militärputsch.
Laut Politikwissenschaftler Federico Ferrara, Politologe an der Nationalen Universität in Singapur, ist das politische Bewusstsein vor allem bei der einfachen Bevölkerung enorm gestiegen. "Sie haben es satt, von Leuten, die durch Ausbeutung und Bestechung reich geworden sind, gesagt zu bekommen, dass sie zu dumm, zu ignorant und zu minderwertig seien, um jene Rolle in einer Regierung zu spielen, die Bürgern in demokratischen Ländern zuerkannt wird." Premier Abhisit Vejjajiva hat dem Land nationale Versöhnung versprochen. Aber die Chancen dafür sind derzeit gleich null.
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