■ Die anderen: „Právo“ (Prag) zum Treffen der WTO / „La Charente Libre“ (Angouleme), die „New York Times“ und der „Berner Bund“ kommentieren die Kundgebungen gegen den WTO-Gipfel in Seattle
Právo (Prag) meint zum Treffen der WTO: Die Welthandelsorganisation zeigt sich bei ihrem Treffen noch zerstrittener als früher. Es gibt nur wenige Punkte, die nicht das Risiko eines scharfen Streits zwischen den Staaten bergen. Zwar haben sich alle Mitglieder darauf verständigt, dass Wachstum nötig ist. Aber die konkreten Vorstellungen, wie es dazu kommen soll, gehen auseinander. Derweil fordert ein Großteil der radikalen WTO-Kritiker eine Änderung der gesellschaftlichen Prioritäten. Tatsächlich wirft die Globalisierung drängende Fragen auf – die nach den problematischen Folgen für unsere Lebensbedingungen und unsere Zivilisation als solche.
Die französische Regionalzeitung La Charente Libre(Angoulême) kommentiert die Kundgebungen gegen den WTO-Gipfel in Seattle: Im Innern und auch außerhalb dieses neuen „Fort Alamo“, in dem sich die Teilnehmer des Welthandelsorganisations-Gipfels verschanzt haben, suchen alle nach Regeln, Sicherheiten und Garantien für die Zukunft. Der Zusammenstoß an dieser Festung hat den Belagerten wenigstens klargestellt, dass nicht nur sie Ideen zu diesem Thema haben. Wenn die Erkenntnis auch spät kommt: Die Nichtfachleute und das Fußvolk sind ebenfalls Teil des internationalen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Gefüges.
Zum selben Thema meint die New York Times: Gewalt und Zerstörung lenken vom eigentlichen Grundproblem ab, das die Demonstranten im Visier hatten – von der Notwendigkeit, Verfahren und Werte der WTO zu reformieren. Die Protestführer haben richtig gehandelt, die Gesetzlosigkeit schnell zu verurteilen. Aber die 135 Mitglieder der WTO würden einen großen Fehler machen, sollten sie sich der Überzeugungen, die hinter diesen Protesten stehen, nicht annehmen – dass die WTO zu engstirnig ist, dass sie zu wenig Sensibilität bei Arbeitnehmerrechten und Umwelt gezeigt hat und dass ihre geheimen Verfahren das öffentliche Vertrauen untergraben.
Und Der Bund (Bern) schreibt: Seit dem Vietnamkrieg hat sich in den USA die linke Opposition nie mehr mit so geballter Kraft manifestiert. Die Desorientierung, in die sie nach dem Fall der Berliner Mauer geraten war, ist auf einmal vergessen. Gewerkschafter, Umweltschützer und Dritte-Welt-Aktivisten ziehen wieder am selben Strang – dank dem Misstrauen breiter Bevölkerungsschichten gegen die Vormacht der Multis und Spekulanten. Doch die Forderung der Kritiker nach einem Liberalisierungsstopp greift zu kurz. Damit der Kapitalismus nicht sein hässliches Gesicht zur Schau stellt, braucht es ein Regulierungsorgan wie die WTO.
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