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Präsidentschaftswahl in AfghanistanKarsai knapp vorne

Zehn Prozent der Stimmen sind ausgezählt und Amtsinhaber Karsai liegt mit einer hauchdünnen Mehrheit knapp vor seinem Herausforderer Abdullah Abdullah. Beide erklärten sich nach der Wahl zum Sieger.

Für Karsais Herausforderer Abdullah Abdullah ist die Wahl noch nicht entschieden. Erst zehn Prozent der Stimmen sind ausgezählt. Bild: reuters

Bei der Präsidentschaftswahl in Afghanistan liegen die beiden Hauptkandidaten, Amtsinhaber Hamid Karsai und der Exaußenminister Abdullah Abdullah, ersten Zwischenergebnissen zufolge dicht beieinander, und keiner hat eine absolute Mehrheit. Nach Auszählung von 10 Prozent der Wahlurnen - überwiegend aus den Nord- und Zentralprovinzen - bekam Karsai 282.927 und Abdullah 202.889 Stimmen. Als Dritter liegt der populistische Parlamentsabgeordnete Ramasan Baschardost mit 53.740 Stimmen weit zurück. Damit ist zwischen Karsai und Abdullah zumindest theoretisch noch alles offen. Aber auch diese Stimmen müssen erst von der Wahlbeschwerdekommission (siehe Text rechts) noch überprüft werden. Das Verhältnis könne sich "morgen oder übermorgen" schon verändern, sagte Daud Ali Nadschafi von Afghanistans Unabhängiger Wahlkommission gestern bei der Vorstellung der Zahlen.

Schon am Sonntag waren erste angebliche Ergebnisse durchgesickert. Unter Berufung auf Karsai-nahe Quellen hieß es in afghanischen Medien, er habe 4.514.084 Stimmen erhalten und Abdullah nur 1.029.467, was einem Anteil von 23 Prozent entspreche. Abdullahs Kampagne konterte am Montag mit eigenen Zahlen: 1,56 zu 1,18 Millionen Stimmen zu seinen Gunsten, ermittelt auf Grundlage eigener Wahlbeobachter.

Dass die Wahlkommission bereits jetzt an die Öffentlichkeit geht, werden Gegner Karsais als Versuch werten, vollendete Tatsachen zu schaffen. Die internationale Gemeinschaft steht jetzt vor einem Dilemma. Entweder sie legitimiert das Wahlergebnis, das die IEC am 17. September vorlegen will, und könnte sich damit um den Rest des Ansehens bringen, den sie noch in den Augen der Afghanen besitzt. Oder sie entscheidet sich dafür, sich mit Kritik an den Manipulationen nicht zurückzuhalten und der künftigen Regierung faktisch die Legitimität abzusprechen. Dies wäre besonders in den eigenen Ländern nur schwer zu vermitteln, wo man bisher die Afghanistan-Mission als Erfolg dargestellt hat. Das hatte ein hoher UN-Diplomat am Sonntag bereits anonym dem Guardian gesteckt.

Die Weltorganisation macht ohnehin zurzeit keine glückliche Figur. Ihr Kabuler Sonderbeauftragter Kai Eide windet sich in Pressekonferenzen und selbst vor den Botschaftern, Zahlen über die Wahlbeteiligung zu nennen. Dabei ist klar, dass solche im UN-Wahlzentrum in der afghanischen Hauptstadt vorliegen müssen. Diese Verweigerungshaltung kann dann eigentlich nur darauf hindeuten, dass die UN-Werte deutlich von denen der afghanischen Wahlkommission abweichen und Eide einen Affront gegenüber der afghanischen Regierung vermeiden will. Und eine Abweichung ist nur nach unten möglich - also noch unterhalb 40 bis 50 Prozent, die bisher kolportiert wurden.

Als Ausweg aus dem Legitimationsdilemma wird in Kabul hinter den Kulissen die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit diskutiert, die Karsais und Abdullahs Lager zusammenbringen und vor allem einen zweiten Wahlgang verhindern soll. Der wird in westlichen Hauptstädten als zu teuer und risikoreich angesehen, weil er zu einer noch stärkeren ethnisch-politischen Polarisierung sowie zu weiteren Wahlfälschungen führen könnte. Dass eine solche Kombination weder neu noch inspirierend wäre, entgeht den westlichen Initiatoren offenbar: Sie würde eine Koalition ehemaliger Mudschaheddin-Führer, die sich schon in den 1990er-Jahren in den Augen der Afghanen diskreditiert hatte, mit einer von Korruption durchzogenen Allianz aus Pro-Karsai-Technokraten und Warlords besiegeln. Abdullah hat eine solche Lösung am Montag aber erst einmal ausgeschlossen.

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