■ Post zur Möllemann-Berichterstattung : Even Richard Nixon has got a soul
betr.: Möllemann-Memorial
De mortius nihil nis bene bedeutet entgegen landläufiger Auffassung nicht, dass man unbedingt und in jedem Fall über die Verstorbenen sprechen muss. Im Gegenteil, ist auch nach dem Tod nichts Gutes zu berichten, so kann man getrost schweigen. Nicht aber fordert der zu oft verkürzt mit „nur Gutes“ wiedergegebene Ausspruch keineswegs dazu auf, bigotte Betroffenheitsprosa zu verbreiten. Insofern trifft die heutige Seite drei.
Nicht pointiert, sondern überflüssig ist dagegen die Sammlung von Randbemerkungen in der vergangenen Woche, ob bei „verboten“, der Wahrheit oder die von diversen Titanic-Seiten abgekupferte Fake-Anzeige. Wenn der Tod Möllemanns überhaupt etwas zeigt, dann wohl, wie verzerrt ein medial selbst aufgebautes und dann weithin transportiertes Image sein kann, wenn niemand dem FDP-Clown so viel Selbstzweifel zugetraut hatte, keinen Sinn mehr in seinem Leben zu sehen. Der Tod macht aus Möllemann ebenso wenig einen guten Menschen wie in irgendeinem anderen Fall. Dafür erinnert er uns daran, dass auch Arschlöcher Menschen sind, denen wir Respekt schulden, den nur Bettina Gaus in ihrem Nachruf („Verletzungen eines Grenzgängers“, taz vom 6. 6. 03) gefunden hat. Oder analog: Even Richard Nixon has got a soul.
KIM CHRISTIAN PRIEMEL, Freiburg
betr.: „Er hat sich verdient genug gemacht“ (Stefan Kuzmany), „Auch die Lebenden haben Rechte“ (Bettina Gaus), Staatsakt für Möllemann – Pro und Contra, taz vom 11. 6. 03
Gibt’s sonst nichts zu kommentieren, dass die taz gleich zwei Meinungsbeiträge einem potenziellen Staatsakt für den verblichenen Herrn Möllemann widmet? Wobei Kuzmanys Pro-Plädoyer in keiner Weise überzeugt.
Weil der Tote schon vor Jahren gefordert hat, was in neoliberalen Zeiten wie diesen (beinahe) allgemeiner Konsens ist, hat er sich verdient gemacht? Verdient, und zwar sich dumm und dämlich, hat der Dahingeschiedene doch wohl eher mit Hilfe der zahlreichen Funktionen, die er bis zuletzt ausgeübt hat. […]
UWE TÜNNERMANN, Lemgo
betr.: „Heucheln für Anfänger“, taz vom 13. 6. 03
Danke, danke, danke für diesen ehrlichen Artikel, der einen die ganzen Artikel anderer Zeitungen, die Möllemann nun gerne posthum zum Volkshelden hochstilisieren würden, vergessen lassen! WOLFGANG SCHMITT, Köln
Es gibt Momente – und dieser Kommentar mag ob des Artikels leicht unpassend erscheinen, aber sei’s drum – da ist das Leben lebenswert.
An Tagen wie diesem, wo die taz kongenial sich selbst übertrifft und in ihrer Frivolität den Verblichenen angemessen porträtiert und gleichsam die scheinheiligen Wendungen der Überlebenden (die der Verstorbene selbst nicht besser hätte vollziehen können und die ihm somit gleichsam gerecht werden) aufgreifen, ist für mich ein solcher Moment geschaffen worden.
TOM BECKER, München
Ich finde auch, dass man gar nicht genug Satire drucken kann, und bitterbös sollte sie sein, und auch über den Tod von Jürgen Möllemann darf man seinen Spott treiben.
Aber nicht am Tag seiner Beerdigung.
Schon gar nicht, indem man konkreten Personen (z. B. Frau Bulmahn) Heuchelei unterstellt. Und indirekt allen Politikern, jawoll, ja sowieso! Politikern generell zu unterstellen, dass sie zu Mitgefühl, Entsetzen und Betroffenheit, und sei es beim Tod eines politischen Gegners, nicht fähig seien, wie es auf der heutigen Seite 3 geschehen ist, ist schlicht menschenverachtend. Und allerdumpfeste Ressentiment-Bedienung, die allem möglichen entspricht, nur nicht der Realität.
Viel Erfolg beim Wiederaufstieg auf ein Niveau.
CHRISTIANE GREFE
betr.: „der tod ist ein fallschirm aus münster“ von Wiglaf Droste, taz vom 13. 6. 03
16 Jahre nach Barschels Tod setzt Droste sich ein Märtyrerkrönchen ins ungepflegte Haupthaar, weil damals bei der taz der gute Geschmack über seine Leichenfledderei gesiegt hat. Dass er auch bei Möllemann nachtreten würde, war abzusehen, so einen billigen Triumph kann er sich doch nicht entgehen lassen. Das ist wie in der Fabel vom Pferd und vom Maultier beim sterbenden Löwen: Das Maultier muss ihm halt noch eine verpassen, weil es jetzt nichts mehr kostet, während das Pferd eben aus diesem Grund vornehm drauf verzichtet.
CHRISTIANE RATTINGER, Offenburg