■ Portrait: Jürgen Perduss
Foto 32
Foto: NDR
Die Bezeichnung „Nachrichtenhändler“ ist Jürgen Perduss nicht recht: „Sagen wir besser, ick bin der Mann im Hintergrund“, berichtigt der 66jährige Berliner. Ins Rampenlicht der Öffentlichkeit ist er gekommen, seit er den Stasi-Offizier Klaus Roßberg für einen Privatsender zum Reden und damit den brandenburgischen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD) in erneute Bedrängnis brachte.
Geheimdienste begleiten Perduss sein Leben lang. Als Wehrmachtssoldat in Frankreich desertiert, diente er im zweiten Weltkrieg dem US- Geheimdienst, nahm Kontakt zu den Russen auf und kehrte 1947 nach Berlin zurück, wo er Mitglied der SED wurde und im Sicherheitsapparat der Partei unterkam. Er lebte im Westteil, arbeitete für das Ministerium für Staatssicherheit, aber seine eigentlichen Auftraggeber waren andere: „Ick baute Maulwürfe für die Russen in den Stasi-Apparat ein.“
Mitten in den Planungen zur Flucht des von Ulbricht abgelösten MfS-Chefs Ernst Wollweber nach England wurde er 1958 in West-Berlin verhaftet und wegen landesverräterischer Beziehungen zu sechs Jahren Haft verurteilt. 1963 wurde Perduss vorzeitig entlassen und ging wieder nach Ost-Berlin. Dort übernahm er als Kneipier den legendären „Esterhazy“-Keller. Im Oktober 1964 wurde er verhaftet und wegen „Paß- und Zollvergehen“ zu zwei Jahren Haft verurteilt, die er im Zuchthaus Bautzen absaß.
Nach der Entlassung verdiente er sein Geld als Aufnahmeleiter für die DDR- Fernseh-Serie „English for you“. Wieder wechselte er in die Gastronomie. Beim MfS- Hauptquartier im Berliner Stadtteil Lichtenberg übernahm Perduss die Gaststätte „Parkaue“. Der Vorwurf, eine Schleusung in den Westen vorbereitet zu haben, brachte ihm 1974 erneut zwei Jahre und drei Monate Bautzen ein. Neun Jahre später wurde ihm angesichts fortdauernder Renitenz bedeutet: Entweder er ziehe in den Westen oder er verschwinde für sehr lange Zeit im Gefängnis. Als er im März 1984 im Westen ankam, wandte er sich an die alliierten Geheimdienste. Doch die ließen ihn abblitzen. Nach der Wende recherchiert Perduss zum Thema Stasi. Auch gegen den damaligen Innenminister Peter Michael Diestel schickt er seine Detektive vor — alte MfS-Kader, die sich zur Detektei „Saxonia“ zusammengeschlossen hatten. Perduss hat noch einiges vor: Er schreibt seine Memoiren und verhandelt in Amerika um die Filmrechte. Hannes Bahrmann/dpa
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen