■ Portrait: Nikolaus, hl.
Foto: Dietmar Gust/Zenit
Letztlich ist er nicht zu packen, der Heilige Nikolaus von Myrna, der Strohnickel, der später unser Weihnachtsmann wurde. Kaum meint man, ihn in der Ikonographie festgezurrt zu haben, da grinsen einen heidnische Gespenster aus sagenhafter Vorzeit an. Kein historisches Dokument beweist seine Existenz. Es heißt zunächst, er sei ein Bischof gewesen, der im 4. Jahrhundert in Patara, einer Hafenstadt in Kleinasien, geboren wurde. Es trieb ihn hinaus in die Welt, er zog nach Ägypten und Palästina. Unter dem römischen Kaiser Diocletian verschwand er im Kerker, unter Konstantin wurde er wieder freigelassen und mischte sich sofort rührig in die Politik, indem er am Nikaeischen Konzil teilnahm.
Er soll Schiffer aus tosender See gerettet, die Stadt Myra vom Hungertod befreit, drei ermordete Schüler wieder zum Leben erweckt, drei verarmte Jungfrauen mit einer Aussteuer beschenkt und schließlich drei unschuldig zum Tode verurteilten Offizieren zur Freiheit verholfen haben. So wurde er Patron nicht nur von Seeleuten und Flößern, Reisenden, Kindern, Kolonisten und Kaufleuten, sondern auch dubioseren Gesellen, fahrendem Volk, Halunken und Dieben. Amtlich festgehalten ist die Tätowierung auf dem Oberarm eines Mörders, der 1933 in Köln in Haft saß: „Heiliger Nikolaus, schütz uns vor Polizei und Arbeitshaus.“
Seine Insignien: Schiff, Anker, drei Brote, drei goldene Kugeln oder Äpfel auf einem Buch, drei Mädchen, drei Kinder im Bottich und ein Bischof mit Mitra können die heidnischen Ursprünge des Gesellen Nikolaus ebensowenig verbergen wie gewisse Bräuche. Peitschenknallen, Erbsenwerfen, Schießen und lautes Johlen unter Polizeischutz kannte man in Norddeutschland; er kam in Tierfell, in Stroh gehüllt, als Schwein, Hase, auch als Dämon; der Historiker Brock glaubt ohnehin, daß Nikolaus ein Janusgesicht hat, Urvater und Teufel in einem ist.
Aus Deutschland stammt die protestantische Umwidmung dieses sexy Fabelwesens zum gezähmten Bonschenonkel, aus dem Seebären wurde der weißliche Weihnachtsmann. Seine Gebeine brachten Seeleute wenige Jahrhunderte nach seinem Tod nach Bari, wo sie noch heute in der Basilika St. Nikola ruhen. Mariam Niroumand
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