■ Portrait: Ex-Präsident tritt ab
Er war kein Kommunist, er war nicht einmal ein richtiger Linker, auch keiner, der in politischen Auseinandersetzungen polarisiert. Seinem ganzen Temperament nach ist er auf Ausgleich bedacht. Und doch hat kaum ein zweiter Angehöriger der FU so viel Haß und Intrige auf sich gezogen.
Das Vergehen des Germanistik-Professors Eberhard Lämmert bestand im Jahr 1976 darin, daß er sich als Kandidat des linken Lagers zum FU-Präsidenten wählen ließ. Das war die zweite Niederlage der Anhänger der alten Ordinarien-Universität, nachdem 1969 mit Rudolf Kreibich erstmals ein Kandidat der Linken (und, horribile dictu, ein Assistent) gewählt wurde.
Lämmerts Wahl verwies sie sieben weitere Jahre auf die Plätze. Sie zahlten es ihm heim, indem sie mit Stimmzettelklau seine Wahl anfochten und auf Jahre ins Zwielicht rückten. Mehr noch: Trickreich versuchte ein Parlamentarier, die Wahlanfechtung zu verbinden mit der Aberkennung seiner Professur. Eigentlich war es lächerlich, so viel Energie darauf zu verwenden, Lämmert die FU-Präsidentschaft streitig zu machen. Die Schreckensbilder von der „roten Kaderschmiede“ FU hatten schon in Kreibichs Amtszeit wenig mit der Realität zu tun, noch weniger zu Zeiten Lämmerts. Als er sein Amt antrat, war die Aufbruchstimmung an der FU längst verflogen. Er hatte kaum noch Möglichkeiten, die FU weiter zu reformieren. Doch Lämmerts politischen Widersachern ging es um anderes. So endete die Ära Lämmert, wie sie begonnen hatte: mit einen Ganovenstück seiner politischen Widersacher. Sein Nachfolger Dieter Heckelmann siegte als Kandidat der Rechten mit ebenso peinlichen wie rechtswidrigen Methoden.
Lämmert, dem die dummdreisten Machtspielchen zutiefst zuwider waren, konnte sich wieder seiner Profession widmen, der Literaturwissenschaft. Ein Jahrzehnt lang hat er am FU-Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft geforscht und gelehrt. Er hat maßgeblich dazu beigetragen, daß das Institut zwei Jahrzehnte nach dem Tod von Peter Szondi wieder einen internationalen Ruf hat. Winfried Sträter
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