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■ PortraitStrahlemann?

Rudi Strahl Foto: Barbara Köppe

Rudi Strahl ist eine Ausnahmeerscheinung unter den deutschsprachigen Gegenwartsdramatikern: er hat Erfolg. Mehr als seine Zeitgenossen Volker Braun, Christoph Hein oder Heiner Müller. Nun schickt sich der publikumswirksamste DDR- Autor mit seinem neuen Stück „Ein seltsamer Heiliger oder Ein irrer Duft von Bibernell“ an, die Bühnen Gesamtdeutschlands zu erobern. Cottbus meldet „krachenden Jubel“, Schwedt „Szenenapplaus“, Schwerin „Ausverkauft“, Magdeburg, Zittau, Rudolstadt folgen. Sogar Fernsehen ist dabei.

Nicht nur sein Erfolg macht Strahl verdächtig. Er kommt außerdem aus Ostdeutschland, ist bekennender Sozialist und dann auch noch Lustspielautor. Flink fertigt Die Welt sein Stück nun ab: „Strahlemanns harmlose Heiterkeiten“. Gern wird der 64jährige Autor auch nach der Biographie gerichtet. Er war Landarbeiter, Werkzeugschlosser, Radrennfahrer, Hauptmann und Stabschef bei der NVA, Student am Literaturinstitut Johannes R. Becher, Redakteur beim Eulenspiegel; er verfaßte 42 Bücher, 10 Defa- Filme, 32 Fernsehspiele, und erhielt den Nationalpreis.

„Vergessen“ wird meistens, daß gerade Strahls Stücke in der DDR verboten waren oder daß „Das Blaue vom Himmel“ ihm den Pazifismusvorwurf einbrachte. Denn Strahl wollte mit seinen geradezu klassisch konstruierten Lustspielen nicht einfach sozialistisches Boulevard liefern, er behandelte immer auch Problematisches, bei grundsätzlicher Übereinstimmung mit dem System. Das neue Stück setzt die Handlung seines größten Erfolgsdramas aus dem Jahre 1975 fort. Damals zeigte Strahl anhand einer Don-Camillo-und-Peppone-Variante, wie der Parteisekretär und die Bauern des Dorfes Trutzlaff mit dem sogenannten gesunden Menschenverstand Alltagsprobleme lösen. Nun erzählt er, was aus dem Dorf Trutzlaff (das in Mecklenburg liegt, aber durchaus auch in Gallien liegen konnte) nach der Wende geworden ist. Heitere Solidargemeinschaft?

Strahl hat ja nicht etwa die Theateravantgarde und die Moderne verschlafen; er bedient sich bewußt der unmodischen Form. Sie vermag – und da liegt er gar nicht so weit entfernt von Peter Zadek – einen optimistischen, geradezu utopischen und ganz und gar nicht harmlosen Inhalt zu transportieren. Rudi Strahl blinzelt seinem Publikum zu. Seine Maxime: Die Wende war furchtbar; aber so furchtbar auch wiederum nicht. Dirk Nümann

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