piwik no script img

PortraitVom Kochtopf ins Kostüm

■ Marlene Rosa

Marlene Rosa paßt nicht in das Klischee der tanzenden „Mulata“. Ihren ersten Minirock kaufte sich die Brasilianerin vor zwei Wochen, im Alter von 42 Jahren. Im Bikini oder gar barbusig auf der Bühne tanzen – ganz ausgeschlossen. „Ich bin eine Mulata, aber ich tanze nur im Notfall Samba“, spricht sie gegen das angeblich angeborene Rhythmusgefühl. Marlene Rosa hat sich auf das Vorführen luxuriöser Kostüme spezialisiert. Ob bei Festen in Rio oder bei Shows im Ausland, die zierliche Brasilianerin thront als Königin in schwergewichtigen glitzernden Gewändern auf der Bühne oder führt im perlenbestickten Reifrock die Flagge der Sambaschule sicher in ihrer Hand. Nur im Rampenlicht schafft es die Kostümträgerin, die 60 Kilogramm schweren Faschingsgewänder zu stemmen. „Wenn der Vorhang aufgeht, fällt der enorme Druck von den Schultern ab. Ich bin nicht mehr Mutter, Ehefrau, Verkäuferin oder Mulata, sondern vollkommen frei“, sagt Marlene Rosa. „Wenn ich in einem Kostüm stecke, verwirkli

che ich mich selbst.“

Marlene Rosas Karriere begann ziemlich spät – mit 28 Jahren. Eine Freundin von der Sambaschule „Beja Flor“ überredete sie zu einer Japantournee, und Marlene Rosa entdeckte die Goldgrube Samba. Ihre beiden Töchter, mittlerweile 17 und 18 Jahre alt, wuchsen in der ganzjährig funktionierenden Showbühne „Plataforma“ auf, wo sie seit 1982 Kostüme vorführt. 1984 wurde sie zur dreifachen Meisterin weiblicher Luxuskostüme in Rio ausgezeichnet. „Heute kennen mich in Rio alle“, erklärt Marlene Rosa stolz.

Die Anerkennung und der Respekt vor der hausältesten Tänzerin vermögen nicht an den Regeln der brasilianischen Klassengesellschaft zu rütteln. Die AkteurInnen der vielgepriesenen Sambashow dürfen sich weder im Restaurant „Plataforma“ blicken lassen noch mit dem Publikum gemeinsam die Stufen zum Veranstaltungssaal nach oben gehen. „Für mich sind der Tellerwäscher und der Besitzer gleichwertig. Ich gebe jeden von ihnen täglich einen Kuß“, provoziert Marlene, die sich früher selbst als Köchin und Hausangestellte durchschlug. Damit ist das Thema Politik abgehakt. Im übrigen rede sie auch äußerst ungern über Fußball, Religion und Sex. Nur soviel verrät sie: „Die Brasilianerinnen sollen endlich das tun, wonach ihnen der Sinn steht! Wer nackt tanzen will, soll nackt tanzen! Wie viele Frauen prostituieren sich nicht innerhalb der Ehe?“ Astrid Prange

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen