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Porträt des Künstlers als alter Meister

■ John Banvilles „Athena“ – ein Roman um Liebe, Lüge, Kunst und Fälschung

Dies ist ein Kunstroman, ein ausgeklügelter Roman über die Kunst und, wie es sich für ein postmodernes Werk gehört, zugleich über die Künstlichkeit des Romangenres selbst. Und es ist ein Liebesroman – über „das unnennbare Geheimnis des Anderen“, den „wahren Ort“ des Ichs, den „Tanz aus Verlangen und Verrat“.

Der Kunstexperte Morrow wird von dem zwielichtigen Morden beauftragt, acht Gemälde auf ihre Echtheit hin zu prüfen. In sieben eingeschobenen Kapiteln gibt er uns eine feinsinnige Beschreibung und Bewertung der betreffenden Werke und ihrer mythisch-allegorischen Sujets Verfolgung, Verwandlung, Rache, Raub und Rettung. „Athena“, Banvilles neunter Roman, wird ganz von Morrow erzählt.

Er schreibt ihn als eine lange Epistel an die ferne, die entlaufene Geliebte A., unschwer als die „Athena“ des Titels zu erkennen. Mit den Lesern, die wie Morrow und der Kriminalpolizist Hackett einigen detektivischen Spürsinn aufbringen müssen, erlaubt sich Banville ein durchtriebenes Verwirrspiel. Auf der Handlungsebene stellen sich sieben Gemälde gegen Ende als raffinierte Fälschungen heraus; auf der Metaebene der Erzählstruktur erweisen sie sich als vom Autor fingiert.

Die Namen alter Meister wie Johann Livelb, J. van Hollbein und so weiter sind nichts anderes als anagrammatische Verdrehungen des Autorennamens John Banville. Ob gefunden oder gestohlen, ob Original, Kopie, Fälschung oder Fiktion – nichts ist, was es zu sein vorgibt.

Da verwundert es nicht, wenn auch die Romanfiguren alles andere als unverbrüchlich verbürgte Personen sind. A., an die Morrow eine masochistische Liebesbeziehung bindet, ist, wie dem schmerzenden Haupt des Zeus die Göttin Athena, dem Hirn des Erzählers entsprungen, zwar nicht dank einem Hammerschlag des Hephaistos, doch spielen Schläge und Erschlagen im ganzen Roman eine entscheidende Rolle. So können wir nicht sicher sein, ob Morrows Liebe dem „Du“ einer tatsächlich Entschwundenen oder einem Phantasiegespinst gilt, nennt er doch die ständig zum „sie“ Changierende („ein perspektivisches Problem“) mehrfach „mein Phantom, mein zweites Ich“.

Zudem wird die – fiktive – Realität mit „obsessiver Genauigkeit“ geschildert; Künstler wie de Chirico, Picasso, David, Rodin usw. werden bemüht, um sie ins Künstliche zu steigern und damit zugleich zum Bild, zu einem Bühnen-, Rätsel-, Traum-, Spiegel- oder Ebenbild zu derealisieren. Die auftretenden Personen sind „nicht wirklich wirklich“, sondern erdichtet, ausgedacht, „nicht ganz überzeugende Kopien ihrer selbst“, „eine lebendige Abwesenheit“.

Zwischen der Anrede „Liebste“ und dem Schlußwort „Ich habe geschrieben“ liegen 285 Seiten geschliffener, auch im Deutschen klangvoller Prosa, die allen Phänomenen der Zweideutigkeit nachspürt: Verstellung und Lüge, Empfindung und Erinnerung, Einbildung und Erfindung, Verwechslung und Irrtum, Selbstbetrug und Spekulation.

Besondere Pointe: Auch der einzige der acht Meister, dessen Gemälde echt ist und der in den Hauptteilen des Roman mehrfach erwähnt wird, Jean Vaublin (1684–1721), mit „Geburt der Athena“, ist niemand anders als John Banville in historischem Kostüm.

Umgekehrt darf man getrost auf diesen münzen, was die Kritiker seinem Alter ego Giovanni Belli vorhalten: Er sei „zu bewußt, zu vorsätzlich in seinem Streben nach reiner Schönheit“. Derartige Selbstdestruktion dürfte genügen, um auch den schärfsten Kritiker gewisser Manierismen und Preziositäten zu entwaffnen. Hans-Christian Oeser

John Banville: „Athena“. Roman. Aus dem Englischen von Lilian Faschinger. Kiepenheuer & Witsch, 285 Seiten, geb. 39,80 DM

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