Porsche braucht arabisches Geld: Der Fall Wiedeking
Das Emirat Katar muss am Ende einer Kette falscher Entscheidungen bei Porsche einsteigen. Der einst gefeierte Manager Wendelin Wiedeking ist gescheitert.
Erschütterung in Baden-Württemberg: Der Autobauer Porsche fast pleite, möglicherweise wird er an Toyota verkauft, ein Stück Geschichte und Stolz des Südens weg. Völlig undenkbar. Das war Anfang der 90er-Jahre. In dieser Lage kam im Jahr 1992 Wendelin Wiedeking zu Porsche, 1993 wurde er Vorsitzender. Der gebürtige Westfale rettete nicht nur Porsche, er steigerte den Wert des Unternehmens bis 2007 von 300 Millionen auf 25 Milliarden Euro. Er galt als aufrichtiger Manager neuen Typs.
Jetzt, nach einem aberwitzigen Plan, VW zu übernehmen, soll das Golf-Emirat Katar nach unbestätigten Berichten 25 Prozent an Porsche übernehmen. Der Porsche-Aufsichtsrat soll in den nächsten vier Wochen dem Plan zustimmen, heißt es. Die reine Not treibt Porsche dazu, denn die neun Milliarden Euro Schulden aus dem gescheiterten Übernahmeversuch des am Umsatz gemessen 15-mal größeren VW-Konzerns frisst alle Gewinne auf. Wiedekings ursprüngliche Idee: Porsche kauft solange auf Pump Aktien von VW, bis es das Unternehmen beherrscht, an dessen Barreserven kommt und die Schulden so begleichen kann. VW frisst sich quasi selbst.
Das Ganze ist mehr als nur eine skurrile Anekdote aus dem Reich gescheiterter Manager. Wiedeking steht wie kaum ein anderer für ein Selbstverständnis als moralisch-ethischer Manager, der auf der guten Seite des Systems steht. Er schrieb zusammen mit Autoren wie Hans Magnus Enzensberger Bücher wie "Das Davidprinzip: Macht und Ohnmacht der Kleinen". Er machte Kleinsein zu einer Tugend, zur Möglichkeit, Identität zu wahren, die Mitarbeiter in den Mittelpunkt zu stellen, und er ereiferte sich gegen den Hype gesichtsloser Mega-Unternehmen. In "Anders ist besser: Ein Versuch über neue Wege in Wirtschaft und Politik" wettert er gegen Unternehmen, die nur schnelle Profite machen und Kosten kappen, ohne eine Vision zu haben. Hieraus entwickelt der Fall Wiedeking erstaunliche Parallele zur Wirtschaftskrise.
Erstens: Im Angesicht des eigenen Höhenflugs wird der offensichtliche Wahnwitz eines Planes zunächst nicht nur übersehen, sondern unter einem Berg guter Argumente vergraben. Warum will Porsche VW übernehmen? VW kann von Porsche lernen, von seiner Effektivität, seiner Mitarbeiterkultur, die eine fast unglaubliche Loyalität im Unternehmen geschaffen hat, so eines der Argumente. VW und Porsche passen traditionell gut zusammen, nicht nur, weil Ferdinand Porsche auch den VW Käfer entwickelt hat. Sondern auch, weil man bereits heute auf vielen Gebieten kooperiert. Schließlich wird Porsche, trotz aller Effektivität, künftig die immer teureren Entwicklungsausgaben, etwa für CO2-ärmere Fahrzeuge, kaum mehr schultern können. Die Argumente sind alle richtig. Allerdings muss Porsche dazu nicht VW entern.
Zweite Parallele: Die anderen sind schuld. Der Plan hätte klappen können. Wäre nicht die Wirtschaftskrise gekommen - die Kredite für den Coup kamen ursprünglich von Banken aus den USA und England. Noch im November scherzten Wiedeking und Finanzchef Härter, das Ergebnis des Jahres 2007/2008 solle man nicht für selbstverständlich nehmen: 8,569 Milliarden Euro Vorsteuergewinn - bei einem Umsatz von 7,47 Milliarden. Dank Kursgewinnen mit der VW-Aktie. Nur circa eine Milliarde des Gewinns erzielte der Autobauer mit dem Bau von Autos.
Dritte Parallele: die unglaubliche Treue dem einstigen Erlöser gegenüber. Baden-Württemberg bangt um die Eigenständigkeit seines Porsche, da kommt niemand auf die Idee, den Übernahmeplan Wiedekings zu kritisieren. Der interne Machtkampf der Porsche-Eignerfamilien Piëch und Porsche entscheidet, ob nun VW Porsche schluckt oder andersherum.
Christian Wulff, CDU-Ministerpräsident in Niedersachsen, kämpft für sein Land als Standort - es hält rund 20 Prozent der Anteile an VW und kann wegen eines speziellen VW-Gesetzes alle Fusionsentscheidungen vorerst blockieren. Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger kämpft für Stuttgart, ebenso wie die SPD-Opposition im Landtag. Auch die Porsche-Mitarbeiter demonstrierten im Mai gegen Ferdinand Piëch und für die Eigenständigkeit ihres Unternehmens. Die soll möglicherweise nur dank eines Investors vom Golf bewahrt werden - stellt sich die Frage, wem man mehr Kompetenz in Sachen Autobau zutraut: Scheich Hamad ibn Dschasim ibn Dschabir al-Thani oder Volkswagen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“