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Polizei-PfuschDie Mordsgeschichte des LKA

Ermittlungsunterlagen zeigen, dass die Kripo ein Mordopfer aus der Rockerszene hätte warnen können. Warum dies nicht geschah, soll nun untersucht werden.

Angesichts so viel Untätigkeit kann man schon ins Grübeln kommen: LKA-Leiter Christian Steiof bei einer Pressekonferenz. Bild: dpa

Der Mord an dem 26-jährigen Tahir Ö. in der Rockerszene entpuppt sich als handfester Polizeiskandal. Dem zuständigen Dezernat des Landeskriminalamts (LKA) war bekannt, dass Ö. bedroht war – gewarnt wurde der Mann von der Polizei aber nicht. Man habe Ö. nicht informieren können, weil sein Aufenthaltsort unbekannt gewesen sei, so der Leiter des LKA, Christian Steiof, bis dato. Am Dienstagabend räumte die Polizei jedoch ein: Es gab sogar zwei Hinweise darauf, dass sich Tahir Ö. in Berlin aufgehalten hatte. Und einer davon war so konkret, dass er sogar das Wettbüro im Wedding benannte, in dem Ö. am 10. Januar schließlich von einem Rollkommando des verbotenen Hells Angles MC Berlin City erschossen wurde.

Innensenator Frank Henkel (CDU) sprach am Mittwoch von einem „Fehler, der einen Schatten auf einen bedeutenden Ermittlungserfolg gegen eine hochkriminelle Bande“ werfe. Bei der nächsten Sitzung des Innenausschusses am 17. Februar solle die Polizei einen Bericht abgeben. An der Spekulation, ob der Mord durch die Polizei hätte verhindert werden könne, werde er sich aber nicht beteiligen, erklärte Henkel. Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Benedikt Lux, bezeichnete es „als höchste Zeit, dass die Polizei diesen schlimmen Fehler einräumt“. Nach Steiofs erster Erklärung habe man den Eindruck gewinnen können, „die Polizei ließ den Mord im Rockermilieu laufen – nach dem Motto, es trifft nicht den Falschen“.

Tahir Ö. galt als Intensivtäter. Am 10. Januar war ein 13-köpfiges Rollkommando in ein Wettbüro im Wedding gestürmt. Einer der Täter feuerte acht Schüsse auf den an einem der Tische spielenden Ö. ab. Auch weil während der Tat eine Überwachungskamera lief, kamen die Ermittlungen zügig voran: Bereits am 24. Januar konnten LKA und Staatsanwaltschaft Haftbefehle präsentieren. Mittlerweile sitzen acht Personen in Untersuchungshaft, darunter der 29-jährige Kadir P. Der frühere Anführer des verbotenen Rockerclubs gilt als Anstifter.

Für die Polizei war das ein großer Erfolg. Am 24. Januar bestritten die Ermittler nicht, dass es frühzeitig Hinweise für einen geplanten Racheakt an Ö. gegeben hatte. Die Vorgeschichte: Im Oktober 2013 war es vor einer Diskothek in Mitte zu einer Auseinandersetzung mit Türstehern gekommen, die offenbar zu Kadir P.s Leuten gehörten. Tahir Ö., der sich in Begleitung eines Polizisten befand – warum, ist unklar –, soll einen der Türsteher mit einem Messer verletzt haben. Von einer V-Person erfuhr die Polizei eigenen Angaben zufolge, dass die Rocker auf Rache sannen. Anders jedoch als den Polizisten, der Ö. begleitet hatte, warnte die Kripo Ö. selbst nicht – weil sich der, so die bisherige Lesart, ins Ausland abgesetzt hatte.

Erst als die Sendung „Spiegel TV“ am Wochenende aus Unterlagen der Mordkommission zitierte, erfolgt nun die Kehrtwende. „Intensive Auswertungen“ hätten „inzwischen“ ergeben, dass es doch schon im November einen Hinweis zur Rückkehr von Tahir Ö. nach Berlin gegeben hatte, so die Polizei. Dieser Hinweis sei „aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen“ nicht berücksichtigt worden.

Es kommt noch dicker: „Spiegel TV“ hatte berichtet, dass der mutmaßliche Anstifter Kadir P. fünf Tage vor der Tat abgehört worden war. Ein gewisser Orhan erzählte ihm laut Wortprotokoll, dass Tahir Ö. regelmäßig in dem Wettbüro „abhängt“. Dieses Telefonat sei aber nicht live mitgehört, sondern nur aufgezeichnet worden, so ein Polizeisprecher. Erst „retrograd“, also nach der Tat, sei das Gespräch vom Rocker-Dezernat ausgewertet worden.

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1 Kommentar

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  • AS
    alles soll einfach sein

    mir tun die frauen leid , die ermordet werden trotz richterlicher entfernungsauflage für den ex und/oder stalker

     

    in den beschriebenen kreisen ist es unehrenfaft sich von polizisten schützen zu lassen , geschweige denn mit der polizei zusammenzuarbeiten

     

    unter polizeitaktischen gründen ist es dürchaus üblich bei organisierter kriminalität ,taten ausführen zu lassen , um einen tatvorgang zu schaffen.

     

    sind verdeckte ermittler im spiel ,wärs unter dem gesichtspunkt entdeckungsrisiko , mitunter tödlich für diese spezialkräfte

     

    die gezielte ansprache --dududu -- führt eh zu nix

     

    als unbeteiligter forderungen aufzustellen , ohne die ermittlungs und überwachungssachverhalte geneu zu kennen is und bleibt kaffeesatzleserei und bequem