Politologe über SPD-Strategiewechsel: "Kein Wechsel durch die kalte Küche"
Wenn die SPD Koch in Hessen verhindern will, hat sie nur eine Alternative: eine Diskussion über ein Bündnis mit der Linken, meint Politologe Kleinert.
taz: Die SPD will nicht, dass Roland Koch in Hessen weiter regiert, sie will aber auch nicht mit der "Linken" kooperieren. Wie soll das gehen?
Hubert Kleinert: Mir ist die Rationalität dieses Vorgehens völlig unklar. Jeder politisch erfahrene Mensch müsste doch wissen, dass es für die SPD in dieser Lage nur eine Alternative gibt: Entweder man öffnet die Diskussion über Bündnisse mit der Linkspartei und diskutiert über mögliche Formen begrenzter Zusammenarbeit oder man schließt die Sache komplett aus. Ein Bündnis, das kein Bündnis ist, gibt es nicht. Die Wahl einer Ministerpräsidentin Ypsilanti ist ja nicht irgendeine Abstimmung, bei der zufällig eine Mehrheit zustande kommt. Ein Strategiewechsel durch die kalte Küche, mit dem Hautgout des Tricksens versehen - so kann man das doch nicht machen.
So gesehen hat die SPD aber eine ordentliche Führungskrise, denn deren Chef Kurt Beck hat ja dieses Bündnis ohne Bündnis ins Spiel gebracht.
Natürlich werden zurzeit viele Planspiele angestellt. Aber ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, wie Beck dazu kommt, so etwas ernsthaft zu erwägen. Damit handelt er sich nur ein Glaubwürdigkeitsproblem ein.
Was heißt das für SPD oder die Grünen, wenn wir künftig öfter mit einer Fünfparteienkonstellation zu tun haben?
Es ist an der SPD, die Frage zu beantworten: Schließt sie bis zur Bundestagswahl jede Zusammenarbeit mit der Linken im Westen aus, oder will sie diese Strategie verändern? Wenn sie diese Debatte aufmachen will, dann muss sie das offen tun und muss die Risiken, die für sie damit verbunden sind, eingehen, muss den internen Streit in Kauf nehmen und das Ganze öffentlich nachvollziehbar machen. Wenn sie das nicht will, muss sie es lassen. Wenn sie die Debatte aufmacht, hätte das natürlich auch Konsequenzen für die Grünen. Eine grüne Debatte über die Linkspartei bleibt solange arg theoretisch, solange der mögliche größere Partner darüber nicht reden will.
Die Debatte wird früher oder später ohnehin kommen.
Wenn sich die politische Agenda weiter so entwickelt wie in der letzten Zeit, die Gerechtigkeitsfrage derart in den Mittelpunkt rückt und die Wahlerfolge der Linkspartei sich fortsetzen, wird diese Debatte wohl kommen. Freilich weiß noch niemand, wie sich die Linkspartei im Westen entwickeln wird. Und die wenigen Eindrücke, die man bisher hat, machen Bündnisse nicht unbedingt attraktiv.
Sollte es zu Bündnissen von Linke, SPD und Grüne kommen, drohte dann nicht eine "Rote Socken"-Kampagnge?
Das unterstellt, dass es auch im Fünfparteiensystem eine festgefügte Lagerbildung gibt. Das sehe ich so nicht.
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