Politiksatiriker "Die Partei": "Wir nehmen jeden Schwachkopf"
Der Satiriker Martin Sonneborn will mit "Die Partei" die Demokratie mit ihren eigenen Waffen schlagen - und bedient sich dabei historischer Zitate.
Der "PARTEI" des ehemaligen Titanic-Chefredakteurs Martin Sonneborn wurde letzte Woche die Zulassung zur Bundestagswahl entzogen. "Rechtsstaatlich nicht hinnehmbar", meinte der Parteienrechtsexperte Martin Morlok; Parteichef Martin Sonneborn kündigte an, Klage beim Bundesverfassungsgericht einzureichen und notfalls den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anzurufen. Zudem werde man Millionen Menschen mit T-Shirts ausstatten mit der Aufschrift: "Where is my vote, Wahlleiter?"
Die Botschaften von Iran und Nordkorea hat Sonneborn bereits um Beistand gegen solche undemokratischen Maßnahmen gebeten, und gerade ist ein "innovativer Propaganda-Dokumentarfilm" in den Kinos angelaufen. Er beginnt mit einer Vision vom Einzug Sonneborns ins Kanzleramt und zeigt die Diskussionen mit empörten Bürgern, denen er den "Wiederabriss der Frauenkirche" und den Wiederaufbau der Mauer schmackhaft machen will. Das sind zwei zentrale Punkte des Programms. Damit niemand später behaupten kann, er hätte von all dem nichts gewusst, gibt es jetzt "Das PARTEI-Buch", in dem auf 248 Seiten nachzulesen ist, "wie man in Deutschland eine Partei gründet und die Macht übernimmt".
Die Idee ist so einfach wie genial: Die PARTEI sei eben keine Spaßpartei wie die FDP, "sondern eine ernsthafte Partei. Wir nennen uns "Die PARTEI" und zeigen damit, dass wir sämtliche anderen Parteien überflüssig zu machen gedenken. Außerdem wird Die PARTEI ein sehr wirksamer Hebel sein, um unseren Auftrag zu erfüllen: die endgültige Teilung Deutschlands."
Genial auch das dazugehörige Wahlplakat, auf dem der gute alte antifaschistische Schutzwall abgebildet ist mit dem historischen Ulbricht-Versprechen (oder war es doch nur ein Versprecher?): "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen!" und dem Zusatz: "Außer uns. Die PARTEI". Und wer dann empört auf den Schießbefehl verweist, dem nimmt Sonneborn den Wind aus den Segeln mit dem nicht minder historischen Versprechen: "Ich geben Ihnen mein Ehrenwort - ich wiederhole: mein Ehrenwort! -, dass mit uns an der neuen Mauer, die wir errichten werden, kein Schießbefehl zu machen ist." Immerhin wünschen sich 21 Prozent der Wähler die Mauer zurück, ein solide Basis, auf der sich eine Mauer aufbauen lässt.
Zwei gut platzierte geflügelte Worte machen deutlicher als jede Anklage, was es mit der Glaubwürdigkeit der Politik auf sich hat. Und je absurder und gemeiner die Monstrositäten der Politik sind, desto mehr reklamiert sie die PARTEI für sich und erhebt sie zu ihrem Programm. Was die anderen Parteien im Gleichklang verurteilen, macht die PARTEI sich zu eigen und verspricht, sich auf billigsten Populismus und beliebige Inhalte zu konzentrieren, die schließlich eine demokratische Mehrheit garantieren. Um das zu erreichen, ist es Sonneborn egal, wer die PARTEI wählt: "Wir nehmen jeden Schwachkopf. Das macht schließlich jede Partei so. Aber wir sind die Einzigen, die das auch offen sagen."
Mit Anstand verlieren
Das PARTEI-Buch ist auch ein kleiner Führer durch die Geschichte der Partei. Man erfährt von den Anfängen der Partei, als man erfolgreich Wahlkampf für die in Bayern in der Versenkung verschwundene SPD machte mit den Slogans "Wir geben auf" und "Mit Anstand verlieren".
Sonneborns Berichte sind sehr nüchtern und entfalten deshalb eine große Komik, etwa wenn er die symbolische Errichtung eines Mauerstücks im ehemaligen Zonenrandgebiet beschreibt. Völlig irre auch so wunderbare Dreingaben wie die für die Bundestagswahlen hergestellten Werbespots der PARTEI im Fernsehen, die zu Werbezwecken an einen Billigflieger verkauft wurden, während Sonneborn in der Wahlsendung die sofortige Beendung der Schleichwerbung bei ZDF und ARD forderte - das alles bereitet bei der Lektüre ungeheures Vergnügen.
Buster Keaton der Politik
Martin Sonneborn ist der Buster Keaton der deutschen Politik und als Vorsitzender der PARTEI hat er seine Rolle fürs Leben gefunden. Trotz der formalen Hürden bei der Anmeldung einer Partei hat er es geschafft, nie die Distanz, den Sarkasmus und die Selbstironie zu verlieren, die man braucht, um aus diesem Spiel mehr zu machen als bloße Teilnahme: nämlich Aktionskunst mit dem Ziel, herrschende Politik-Konventionen lächerlich zu machen. Sonneborn ist auf dem besten Weg, ein Gesamtkunstwerk zu erschaffen: sich selbst, ausgestattet mit einem billiggrauen C&A-Anzug à 49 Euro und der Mission, das Demokratiemodell mit seinen eigenen Waffen zu schlagen. An dieser großen Aufgabe können auch Sie sich beteiligen. Noch sind niedrige Parteimitgliedsnummern zu haben und äußerst interessante Parteiposten zu vergeben. Greifen Sie zu! Bevor es andere tun.
Filmstart "Die PARTEI": 13. August. Das Buch zum Film: Martin Sonneborn: "Das PARTEI-Buch". Kiepenheuer & Witsch, Köln 2009,
248 Seiten, 8,95 €
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