■ Politik beugt sich Gentech-Konzernen : Wer haftet für mögliche Schäden?
betr.: „Umweltbundesamt warnt vor Genpflanzen“, „Der große Dissens“ (Interview mit Professor Andreas Troge, Chef des Umweltbundesamtes), taz vom 22. 8. 03
Die Naivität der Genpflanzen-Diskussion ist grenzenlos. Diskutiert wird die ökologische und ökonomische Ausbreitung der Pflanzen und deren Auswirkung. Beides ist meiner Ansicht nach unaufhaltsam. Man wird es einem Rapsfeld kaum verbieten können, seine Pollen ins Nachbarfeld zu streuen. Ebenso werden sich die Profitgeier der Agrarwirtschaft nicht davon abhalten lassen, die wirtschaftlichen Vorteile des Gen-Gemüses zu nutzen, sofern die Bundesregierung keine strikte Ablehnung organisiert.
Vergleichbar erfolglos wäre ein Versuch, die Vermehrung von Karnickeln zu verhindern, in dem man im Park Schilder mit der Aufschrift „Rammeln verboten“ aufstellte. Auch die Diskussion über mögliche Auswirkungen ist lächerlich. Selbstverständlich sind nicht absehbare Auswirkungen auf das ökologische Gleichgewicht zu erwarten (vgl. die Verdrängung der Wildlachse durch Zuchtderivate). Ganz zu schweigen von der ungewissen Verträglichkeit im humanoiden Organismus. Die Freigabe der Genpflanzen ist vergleichbar mit der Freigabe eines neuen Medikamentes. Trotz aufwendiger und jahrelanger Tests können auch hier Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen werden. Medikamente jedoch werden (so zumindest die Theorie) nur aus medizinisch indizierten Gründen, nicht aus ökonomischen Interessen zugelassen und verschrieben.
Ich halte es für richtig, dass die Bundesregierung, sofern sie den Anbau von Genpflanzen zulässt, auch für mögliche Schäden die Verantwortung trägt, und nicht der Bauer, der das zugelassene Material verwendet. Es wäre ja auch sinnlos, den Kaninchen die Schuld zu geben. PHILIPP GOTTESLEBEN, Dresden
Das ist schon ein Ding: Man stelle sich ein Gewächshaus in der Größe der Bundesrepublik vor. Dort werden ab 2004 dann Mais, Zuckerrüben, Soja und Kartoffeln mit verändertem Gen-Programm ausgesetzt um zu erproben, ob die Pflanzen auch „draußen“ die ihnen angezüchteten neuen Eigenschaften behalten oder ob sie kläglich eingehen. Die grüne Gentechnik ist ein Riesengeschäft, in das Konzerne wie Monsanto einiges an Dollars reingesteckt haben. Verständlich, dass jetzt auch in Europa endlich Geld damit verdient werden soll. Dabei spart Gentechnik keineswegs den Pestizideinsatz, die neuen Sorten brauchen nur jeweils ein spezielles Spritzmittel aus dem Baukasten, das liefert Monsanto dann gleich mit. […]
Und das Schlimmste zum Schluss: Viele alte Kultur-Sorten sterben aus, und ihr Genmaterial ist inzwischen Eigentum von Konzernen wie Monsanto … NORBERT FASCHING, Gärtringen
Die EU-Kommission ist vor dem Druck der Gentech-Industrie und den wirtschaftlichen Interessen Amerikas eingeknickt. Obwohl eine überwältigende Mehrheit Gen-Food ablehnt, ist nun auch in Europa der Weg frei für den Anbau von genmanipuliertem Mais und Weizen. Der Zulassungstopp ist einer Kennzeichnungspflicht für Gen-Food gewichen. Lebensmittel-Konzerne wie „Nestlé“ und „Kraft“ lachen sich die Hose voll und versichern (vorerst) bereitwillig, auf genveränderte Organismen zu verzichten. Wenn nämlich erst einmal die genmanipulierten Pollen durch die Gegend wirbeln, wird mittelfristig niemand mehr gentech-freie Rohstoffe garantieren können. Scheinheilig wird Nestlé & Co dann mit den Achseln zucken.
Die gesundheitlichen und ökologischen Folgen durch den Genuss und Anbau von genveränderten Pflanzen sind ungewiss. Aber selbst wenn die befürchteten neuen Allergien und Resistenzen ausblieben, stellt sich die große Frage, wem außer den Biotech-Konzernen die „Grüne Gentechnik“ eigentlich nutzt. Wir wissen, dass Gentech-Konzerne die Entwicklungsländer aufgrund ihrer Patente auf Saatgut erpressen und ausbeuten. Kanadische Ökobauern entdeckten auf ihren Feldern Genpollen und mussten sich von Monsanto vorwerfen lassen, dass sie genmanipuliertes Saatgut illegal nutzten. Die VerbraucherInnen profitieren nicht von Gen-Food.
Tapfer bereitet das Bundesverbraucherschutzministerium eine Novelle des Gentechnik-Gesetzes mit strengen Regelungen für die Koexistenz von Gen- und traditionellem Anbau vor. Doch wenn die Gesetzesvorlage nicht bereits von Superminister Clement und Bundesforschungsministerium torpediert wird, dann mit Sicherheit durch die Ekel erregende Blockadepolitik der neoliberalen Lobbyisten der Opposition.
Nachdem sich die Politik erneut den globalwirtschaftlichen Interessen weniger profit- und machtorientierter Konzerne gebeugt hat, können nur noch die VerbraucherInnen diese Entwicklung bremsen. VOLKER HERRMANN, Meppen