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■ Polen: Der Hund ist Kultgegenstand und StatussymbolMonster unter Tierschutz

Warschau (taz) – Zdzislaw K. hatte Pech, die drei Doggen, die sich in der Kleinstadt Olesnica bei Wroclaw auf ihn stürzten, ließen ihm keine Chance. Augenzeugen berichteten später, sie hätten ein blutiges Bündel gesehen, das von den drei Doggen hin- und hergezerrt wurde. Zdzislaw K. lag anschließend noch elf Tage im Krankenhaus bei vollem Bewußtsein, bevor er starb. In dieser Zeit, so berichtete eine Tageszeitung, sei er von der zuständigen Staatsanwältin kein einziges Mal verhört worden. Der Prozeß gegen die Hundebesitzer dagegen wurde jetzt wieder ausgesetzt. Obwohl das Urteil noch nicht verkündet wurde, steht der Schuldige bereits fest. Er heißt Zdzislaw K. und lebt nicht mehr. Breslauer Tierschützer, die sich gegen die Einschläferung der kriminellen Doggen wehren, wissen mit absoluter Sicherheit, daß diese niedlichen Tierchen dem Menschen nur dann etwas zuleide tun, wenn dieser sie zum Beißen provoziert. So wird aus einer Körperverletzung mit Todesfolge ein besonders exotischer Selbstmordversuch und aus dem Corpus delicti ein Opfer.

Die Breslauer Tierschützer befinden sich da in einmaliger Übereinstimmung mit sämtlichen polnischen Hundebesitzern und einem Großteil der öffentlichen Meinung, die den Hund gleich nach dem PKW zum Kultgegenstand und Statussymbol erkoren hat. Dabei hat der Hund dem Auto gegenüber auch noch den Vorteil, relativ billig zu sein, aber wesentlich mehr Respekt einzuflößen. Diese Erkenntnis muß es sein, die unzählige Warschauer dazu treibt, vorzugsweise nach Einbruch der Dunkelheit ihre acht- bis zehnjährigen Sprößlinge mit mehreren dänischen Doggen an der Leine (oder auch ohne, auf jeden Fall aber ohne Maulkorb) in die städtischen Parks zu schicken. Eingekreist von einem halben Dutzend lechzender, bellender und zähnebleckender Monster, gegen die der „Hund von Baskerville“ auf das Ausmaß eines überfütterten Schoßhündchens zusammenschrumpft, bleibt überraschten Spaziergängern da nichts anderes, als schlotternd und Stoßgebete stammelnd dem wenig überzeugenden „Der macht nichts“ jenes achtjährigen Knirpses zu lauschen, den das Viech gewöhnlich an einer Leine hinter sich herzerrt. Seinen Unmut hält man lieber zurück – schließlich ist man ja kein Tierhasser.

Tier- und Umweltschutz, das bedeutet in Warschau Hundeschutz. Der diesjährige Welttierschutztag in Polen wird nicht etwa zu Ehren aussterbender Adler (immerhin polnisches Wappentier), irgendwelcher Gamsböcke, Bisons oder Bären begangen, sondern zu Ehren des Hundes. Die Zahl der Vierbeiner aller Größen nimmt trotz Hundesteuer ständig zu, und obwohl sämtliche Wohnungen in unserem Block Einzimmerwohnungen sind, die überwiegend Ehepaare mit mehreren Kindern beherbergen, befindet sich in der Mehrzahl von ihnen auch ein Vierbeiner, der mit schöner Regelmäßigkeit bei Einbruch der Dunkelheit in Begleitung eines stolzen Herrchens seinen Darm auf dem Gehsteig entleert.

All jene, die sich auf den Tag vorbereiten wollen, an dem ein Rottweiler in Pferdegröße beschließt, ein Gabelfrühstück à la Olesnica zu sich zu nehmen, sehen sich von Medien und Behörden alleingelassen. Tränengas ist illegal und bei Hunden weitgehend unerprobt. Erwiesen ist nur, daß Kühe davon Kopfweh kriegen und saure Milch geben, ob das auch für Hündinnen ähnlicher Größe gilt, ist unerforscht. Besucher des gerade in Warschau anlaufenden Films „Mann beißt Hund“ dürften das Kino ebenso ratlos verlassen – der Held des Filmes killt zwar am laufenden Band, aber Hunde spart er aus unerfindlichen Gründen dabei aus. Klaus Bachmann

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