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Archiv-Artikel

Poker um Paragrafen

Die Bundespolitik ist sich uneins darüber, ob Deutschland künftig ein Anti-Doping-Gesetz braucht

BERLIN taz ■ Der Sportausschuss des Deutschen Bundestages beschäftigte sich am Mittwoch mit fundamentalen Fragen: Sind Sportler, die Dopingmittel nehmen, der Quell allen Übels, oder sind die wahren Schuldigen nicht jene Leute, die illegale Substanzen herstellen und verkaufen? Und wie ist ihnen beizukommen, einer Szene, die mittlerweile mafiaähnliche Strukturen aufgebaut hat?

Peter Danckert (SPD), der Vorsitzende des Sportausschusses, ist Befürworter eines Anti-Doping-Gesetzes. „Wenn der Sport es nicht schafft, Doping zu kontrollieren, ist der Staat gefordert“, sagte er. Er sieht den Sportler im Mittelpunkt, ohne den „wäre das ganze Drumherum nicht möglich“. Warum solle dieser dafür nicht auch bestraft werden können. Diese Frage stellte Danckert auch Vertretern des deutschen Sports und der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada), die sich vor dem Ausschuss gegen die Einführung eines Anti-Doping-Gesetzes aussprachen.

Nada-Geschäftsführer Dr. Roland Augustin nutze als Gegenargument den Gerichtsprozess um den Magdeburger Leichtathletiktrainer Thomas Springstein. „Eine Athletin hat eine verbotene Substanz und zeigt damit ihren Trainer an“, sagt er, „wer ist schuld: Die Athletin oder der Trainer?“ Die Gegner eines Gesetzes fürchten um die Autonomie des Sports, dem bis jetzt relativ souverän die Kontrolle des Dopingproblems obliegt. Unterstützt wurde Augustin vom Nada-Vorsitzenden Peter Busse. „Der Staat darf die Verantwortung nicht an sich ziehen“, sagte dieser. Es dürfe nicht sein, dass der Sport aus der Verantwortung entlassen werde. Gemeinsam mit dem Präsidenten des Deutschen Sport-Bundes, Manfred von Richthofen, sprach er sich für eine Stärkung der Nada aus. Ob deren Kontrollen ausreichen, ist allerdings in der Diskussion. Die Dopingtests können höchstens das letzte Glied der Dopingkette abfischen – den Sportler, und auch da nur jene, die unvorsichtig oder leichtsinnig betrügen. An Händler und Hersteller kommen die Kontrolleure mit den herkömmlichen Methoden nicht heran.

Von Richthofen bemängelte, ein Anti-Doping-Gesetz würde zu einer Kriminalisierung der Sportler führen. Es könne nicht die Aufgabe des Strafrechts sein, Menschen von gesundheitsschädlichen Handlungen abzuhalten. Dennoch sagte er: „Wir müssen den gewerbemäßigen Handel von Dopingmitteln bekämpfen und die banden- und gewerbsmäßigen Strukturen der kriminellen Dopingdealer zerschlagen.“ Außerdem regte er die Einrichtung einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft und Warnhinweise vor Dopingsubstanzen auf Medikamentenverpackungen an. Eine unabhängige Rechtskommission schlug einen anderen Ansatz vor. Im Strafrecht solle Wettbewerbsverfälschung durch Doping mit Hilfe eines Paragrafen untersagt werden.

„Der Betrug am Konkurrenten und dem Veranstalter ist das Problem. Der Kern ist nicht der Besitz von Dopingmitteln, sondern der Versuch, damit in professionellem Sport Verschiebungen zu erzeugen“, sagte Kommissionsmitglied Dr. Christoph Wüterich. Demnach sollten Sportler, Trainer, Ärzte und Betreuer in schweren Fällen mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft werden können.

Der Vorsitzende der Kommission und zudem Vorstandsmitglied der Nada, Markus Hauptmann, ergänzte, der Sport sei ohnmächtig gegen die organisierten Strukturen und könne die „Auswüchse“ nicht allein bekämpfen, das könnten nur Staat und Polizei. Wie das geschehen soll, ist freilich weiter offen.

CHRISTIAN MEYER