Poiitik und Sport: "Ich bin Fußballtrainer"
Bernd Stange trainierte die irakische Nationalmannschaft. Politik? Interessiert ihn nicht. Jetzt arbeitet er als Trainer in Weißrussland: "Dobre dien, mein Freund!", begrüßt er uns gut gelaunt...
taz: Herr Stange, in den letzten zwölf Jahren haben Sie Mannschaften auf der ganzen Welt trainert. In Australien, Europa und Asien. Sind Sie ein Getriebener?
Bernd Stange, 59, war von 1983 bis 1988 der jüngste Auswahltrainer der DDR-Fußballnationalmannschaft. Anschließend übernahm der Sachse die Geschicke bei Hertha BSC Berlin und dem VFB Leipzig in der Ersten Fußball-Bundesliga. In den 90er Jahren wurde Stange zum Fußballglobetrotter und betreute nacheinander Vereins- und Nationalmannschaften in der Ukraine, Australien, Oman, Irak und Zypern. Für sein herausragendes Engagement und den Neuaufbau der Fußballmannschaft im Irak erhielt er 2004 den Fifa-Presidential-Award. Stange ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er lebt mit seiner Frau in Jena und Minsk.
Bernd Stange: Nein, auf kein Fall, weil ich vergleichsweise wenig Erfahrung habe. Ich war gar nicht in vielen Ländern. Ich war in der Ukraine, in Australien, im Oman, im Irak und auf Zypern.
Und jetzt in Weißrussland. Das macht sechs Länder in zwölf Jahren.
Ja, aber das ist wirklich nicht so viel, das täuscht. Es gibt Trainer, die in weitaus mehr Ländern gearbeitet haben. Ich war ja auch relativ lang an den jeweiligen Positionen, immer zwei oder drei Jahre. Außer im Oman, da bin ich mit der Mentalität überhaupt nicht zurechtgekommen. Ich bin kein Kurzstreckenläufer, sondern ein konstanter und stabiler Arbeiter.
Sie haben auffällig oft in politisch instablien, gefährlichen Regionen gearbeitet. Der Irak unter Saddam Hussein und jetzt Weißrussland sind nur zwei Beispiele. Was reizt Sie an der Arbeit in diesen Krisengebieten?
Ich bin Fußballtrainer und arbeite als Fußballtrainer, alles andere interessiert mich nicht. Ich arbeite mit Mannschfaten in von der Fifa und UEFA akzeptierten Ländern. Wenn irgendwer politische Fragen hat, soll er sich an die Botschaften wenden, nicht an mich. Ich habe meine klar definierte Aufgabe. Ich bin Fußballtrainer, und das mit ganzem Herzen. Ich will fußballerisch etwas in diesen Ländern verändern.
Aber hat man in solchen Gebieten nicht Angst, zu arbeiten?
Ich hatte keine Angst und ich habe keine Angst.
Im Irak haben Sie unter sehr widrigen Bedingungen gearbeitet. Sie erhielten lange keine Bezüge, haben aus eigener Tasche Flüge für die Mannschaft bezahlt, das Equipment besorgt, Bälle aufgepumpt. Da muss man doch irgendwann mal die Nase voll haben.
Absolut, das kann ich nur bestätigen. Nach dem Irak war ich physisch und vor allem psychisch völlig ausgebrannt. Nach diesen ganzen Erlebnissen habe ich kurzer Hand einen Job bei Apollon Limassol, dem Tabellenletzten der zypriotischen Liga, angenommen. Ich wollte einfach mal in einer ruhigen Gegend arbeiten. Letztendlich ist es ja ein Ort, an dem die Götter Urlaub machen.
Der Irak hat nun überraschend den Asienpokal gewonnen. Sie müssen doch traurig sein, dass Sie bei diesem Erfolg nicht dabei sein konnten.
Mein Leben war in Gefahr, ich konnte dort nicht weiterarbeiten. Ich habe auf Anraten der deutschen Regierung den Irak verlassen müssen. Aber ja, es hat mich sehr geschmerzt, dass ich meine Mannschaft bei den Olympischen Spielen in Athen nicht betreuen konnte. Und ich bin wehmütig, dass ich meine schwere Arbeit vor und auch nach dem Krieg, die ja dann auch von der Fifa mit dem Presidential Award ausgezeichnet wurde, nicht weiterführen konnte. Für mich ist der Efolg des Irak allerdings völlig logisch, diese Mannschaft ist unglaublich stark. Und hat jetzt auf beeindruckende Weise ganz Asien hinter sich gelassen. Und trotzdem kennt keiner auch nur einen einzigen irakischen Spieler, das ist traurig.
Sie führen den Erfolg also auf Ihre Vorarbeit zurück?
Auf jeden Fall, diese Mannschaft habe ich zusammengestellt. Meine Arbeit dort war ein Erfolg und das macht mich stolz. Und das ist sicherlich auch ein Nachweis, dass ich in der Lage bin, eine europäische Mannschaft erfolgreich durch eine Qualifikation zu führen.
Was nun Ihr Ziel mit Weißrussland sein wird. Ein Land, das als letzte Diktatur Europas gilt.
Genau. Nur das ist mein Ziel. Und wenn mir die Leute mit der Politik in diesem Land kommen, da kann ich nur abwinken und sagen: alles Kokolores, nächste Frage. Diese Fragen hängen mir so zum Hals raus, das können Sie sich gar nicht vorstellen. Wenn irgendwer ein Problem mit diesem Land hat, sag ich nur: Kommen Sie nach Minsk und schauen sich an, was hier entstanden ist. Die Stadt strahlt, es ist sauber, das muss man einfach mal gesehen haben.
In Weißrussland finden massive Menschenrechtsverletzungen statt, die Wahlen werden manipuliert, Oppositionelle ermordet und Medien zensiert. Da kann man doch nicht entspannt arbeiten.
Das ist mir so was von wurscht. Ich bin Fußballnationaltrainer in einem Land mit riesiger Fußballtradition, nur das zählt. Mit meinem Kollegen Harald Irmscher will ich hier das Beste herausholen. Das ist meine Mission und mit allem anderen habe ich nichts zu tun. Ich lasse mich auch von niemandem hinreißen, irgendetwas zur politischen Situation zu sagen. Ich habe hier so tolle Bedingungen vorgefunden, wie ich sie selten in meinem langen Fußballerleben erlebt habe. Es ist eine nagelneue, brillante Föderation, die vor sechs Monaten von Michel Platini eröffnet wurde. Es gibt 18 Fußballplätze, eine überdachte Fußballhalle mit dem Rasen, den auch Trapattoni in Salzburg zur Verfügung hat. Da sag ich doch: Hallo, was für eine tolle Herausforderung? Die möchte ich doch annehmen.
Sie sind also kein politischer Mensch.
Ich bin Fußballtrainer.
Wie man liest, haben sich acht weitere Trainer für den Posten in Weißrussland beworben. Sie sprechen fließend Russisch - hat das letztlich den Ausschlag gegeben, dass Sie den Job bekommen haben?
Den Ausschlag haben in keinster Weise meine Russischkenntnisse, sondern vielmehr meine langjährigen Erfahrungen in der Arbeit mit Föderationen gegeben. Ich habe zehn Jahre in der DDR und zweieinhalb weitere im Irak und im Oman als Auswahltrainer gearbeitet. Und eines kann ich Ihnen sagen: Auswahl- und Clubtrainer sind zwei völlig verschiedene Paar Schuhe.
Was zieht Sie immer wieder ins Ausland?
Nun ja, Bayern München und Borussia Dortmund haben halt nicht angerufen. Und ich möchte als Fußballtrainer weiterarbeiten und nicht wie viele meiner bekannten DDR-Kollegen andere Jobs in Unternehmen oder im Verkauf annehmen. Ich habe mein Leben auf Fußball gesetzt und bin froh, einen so guten Job erhalten zu haben. Ich träume nicht von einer anderen Stelle. Ich bin zufrieden. Ich will beweisen, dass all meine Erfolge keine Zufallsprodukte waren, sondern das Ergebnis extrem harter Arbeit.
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, er liebt sein Essen, seine Umgebung, die Menschen. Wie kommen Sie mit den immer wieder wechselnden Mentalitäten und Gewohnheiten zurecht?
Mentalitätsgeschichten sind natürlich schwierig, aber es geht in vorderster Front um Fußball. Und da braucht man heutzutage nur eine einzige Mentalität - nämlich Professionalität. Und zwar von früh bis morgens. Mentalitäten müssen letztendlich im Erfolg münden und das geht nur über Professionalität. Da kommt es nicht darauf an, dass der eine mehr Hühnchenfleisch und der andere lieber Schwein ist. Man muss die Kulturen beachten in so einer Mannschaften, aber am Ende geht es doch nur um harte Arbeit. Aber natürlich muss man auch Respekt haben. Man kann einer belorussischen Mannschaft keine deutsche oder brasilianische Spielkultur aufzwingen. Man muss auf den Stärken dieser Tradition versuchen, einen eigenen Weg aufzubauen. Wer das schafft, hat auch Erfolg.
Aber Sie sind ja nicht 24 Stunden Fußballtrainer. Das Umfeld muss doch auch stimmen.
Keine Frage. Es ist mir extrem wichtig, nicht nur auf die Umgebung, sondern auch auf die Menschen zu achten. Es war einfach wundervoll, wie korrekt und höflich wir hier empfangen wurden. Wie alles organisiert ist und auch wie die Leute in der Föderation gekleidet waren - das hat mich strark beeindruckt. Wenn Sie mich hier in Minsk besuchen würden, wären Sie überrascht: Das hätten Sie nicht erwartet. Die Stadt glänzt, moderene Kaufhäuser und topsanierte Altbauten überall. Aber ich muss ja hier niemanden überzeugen, soll doch jeder selbst herkommen und sich das anschauen.
Nun ja, Ihrer Familie müssen Sie das schon erklären.
Natürlich, die haben ein Stimmrecht. Meine Familie hat mir in diesem Fall zugeraten. Meine Söhne arbeiten im Ausland und meine Frau hält den Laden zusammen. Wir sind alle Kosmopoliten und auf diese Lebensweise ausgerichtet.
Werden Sie Ihren Wohnsitz nach Minsk verlegen?
Ja, ich ziehe komplett nach Minsk. Wir haben natürlich ein Haus in Jena, das ist unsere Heimat, unser Sammelpunkt. Wir wollen die Arbeit aber hier aufnehme. Die Föderation hat zwar fantastische Bedingungen, aber keine Ergebnisse geliefert. Wir müssen hier vor Ort eine neue Konzeptzion brutal durchsetzen, um hier Erfolg zu haben.
Sie haben eine sehr junge Mannschaft
aber auch ein paar Denkmäler
die Ihrer brutalen Neukonzeption zum Opfer fallen?
Nicht alle, so radikal sind wir auch nicht. Aber wir machen einen klaren Schnitt und versuchen, Leute in den letzten EM-Qualifikationsspielen zu sichten, die noch keine internationale Erfahrung haben. Wir wollen das Jahr bis zur WM-Qualifikation nutzen, eine ganz stabile, schlagkräftige, nach modernen taktischen Prinzipien aufgestellte Mannschaft aufzubauen. Für diesen Plan haben wir von der Föderation grünes Licht bekommen.
Wie realistisch beurteilen Sie die Chance, sich für die WM zu qualifizieren?
Das kann ich nach zwei Tagen Arbeit im Land nicht beantworten.
Wenn das klappen sollte, wären Sie bis 2010 im Amt und 62 Jahre alt. Wie wäre es mit einem Job in Afrika? Da waren Sie ja noch nicht.
Mal schaun, vielleicht werde ich eine Kindermannschaft trainieren. Aber eines weiß ich: So lange wie Kalli Feldkamp (72, Trainer bei Galatasaray Istanbul; Anm. d. Red.) halte ich nicht durch.
INTERVIEW DANIEL MÜLLER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt