: Planen Sie sich doch selbst ein!
Sehr geehrte verantwortliche PolitikerInnen,
sagen Sie mir, wie eine ErzieherIn es schafft, ein weinendes Kind zu trösten, bei zweien einen Streit zu schlichten, einem Kind zuzuhören, einem beim Toilettengang zu helfen! O.K., Frauen – meistens sind Erzieherinnen weiblich – sind multitask, aber 20 Kinder auf eine ErzieherIn ist doch selbst für die erfahrenste zu viel! Natürlich kann man 20 Stück Kind in einer Gruppe halten: Doch dabei vergessen wir alle pädagogischen Grundsätze der vergangenen Jahrzehnte. Ich lade Sie herzlich ein, einen Tag ihrem Schreibtisch den Rücken zuzuwenden und in einem Kindergarten zu hospitieren. Vielleicht denken Sie dann darüber nach, die Gehälter von ErzieherInnen aufzustocken und für mehr statt für weniger Personal zu sorgen! Die neuesten Entwicklungen sind sonderbar paradox: Dass Bildung im Kindergarten anfängt, ist Ihnen sicherlich bekannt, und dass Bildung etwas mit Wirtschaft zu tun hat, dürften Sie auch wissen. Warum dann derartige Pläne? Versäumnisse in der frühkindlichen Erziehung sind leider folgenschwer und meistens später nicht mehr auszubügeln. Haben Sie Kinder? Mein Kind ist mal auf dem Spielplatz vergessen worden. Können Sie sich denken, wie es sich gefühlt hat? Das war kein Einzelfall, wie ich von anderen Eltern aus anderen Gruppen erfahren habe. Das ist u.a. ein Ergebnis der Überlastung von ErzieherInnen. Ich würde mein Kind gerne zu Hause betreuen: Bezahlen Sie mir das? Dann würde ich eventuell sogar für weiteren Nachwuchs sorgen und damit die demografische Entwicklung Deutschlands positiv beeinflussen. So aber mache ich jeden Tag einen Drahtseilakt zwischen Kind und Beruf. Manchmal bin ich wütend, weil ich viel weniger Zeit zum Geldverdienen habe, als andere ohne Kind. Wovon soll ich denn höhere Beiträge zahlen? Eltern als zusätzliche Betreuungshilfen? Meinen Sie, ich gebe mein Kind in den Kindergarten, um es dort selbst zu betreuen? Sehr witzig! Was meinen Sie, was Arbeitgeber dazu sagen, wenn Sie heute eben nicht kommen, weil Sie Dienst im Kindergarten haben. Planen Sie sich doch selbst als zusätzliche Betreuungskraft ein: Dienst an der Basis erweitert das politische Verständnis.
Grüße einer erbosten Mutter ESTHER BRANDAU, Bremen