■ Plädoyer für eine Rückbesinnung auf die historischen Werte: Was ist mit den „grand old parties“?
Nach den dramatischen Verlusten bei den jüngsten Wahlen behaupteten viele Kommentatoren, die Führung der Demokraten sei zu „liberal“. Präsident Clinton, der noch vor zwei Jahren als „neuer Demokrat“ versuchte, besonders die Mittelklasse zu umgarnen, gilt jetzt als unakzeptabler „Sozi“, als „Linker“ oder gar, Schreck aller Schrecken, als „gegenkultureller McGovernik“, so Newt Gingrich. Dessen Epithet drückt den Zeitgeist aus: daß die Tradition, die man mit mir assoziiert, eben nicht mehr sehr gemocht wird. Demnach haben die Wähler die Demokraten rausgeschmissen, weil Weißes Haus und Kongreß sich immer noch zu sehr ans „Linkssein“ klammern. Weiterhin sagt der Zeitgeist, daß, wenn Clinton sich erholen und auch noch 1996 wiedergewählt werden will, er sich noch mehr nach rechts bewegen oder zumindest noch mehr an die Mitte halten müsse. Meine Überzeugung ist hingegen, daß die Partei der Demokraten das Vertrauen des amerikanischen Volkes verloren hat, nicht weil sie zu „links“ wäre, sondern weil sie sich nicht mehr an ihre historischen Werte hält und diese auch nicht öffentlich verteidigt. Ich glaube weiterhin auch, daß sich die Republikaner auf wankendem Boden befinden, weil auch sie sich nicht mehr an die historischen Werte des Konservatismus halten.
Gut und schön, all den Rezepturen der „Neuen Demokraten“, der „Neoliberalen“ oder der „Neokonservativen“ zu lauschen. Wir können aber genausoviel von der Klugheit der altmodischen Demokraten und Republikaner lernen, von altmodischen „Liberalen“ und Konservativen. Meine Eltern ehrten die Verfassung, wollten fiskalische Klarheit und waren gegen zu starke Eingriffe des Staates. In ihrem persönlichen wie öffentlichen Leben gab es keine Duldung von Lügen, Unehrlichkeit und Heuchelei. Ich ehre hiermit den Konservatismus, und entlehne ihm auch einiges, wenn ich sage, daß ich stolz bin, ein Liberaler zu sein, denn der Liberalismus war für die innovativsten Vorhaben verantwortlich, die das Leben der Amerikaner in diesem Jahrhundert bereicherten: von „Medicare“ über die „GI Bill of Rights“ bis hin zu den Bürgerrechten und der Umweltgesetzgebung.
Es ist immer die lebendige Spannung zwischen Konservatismus und Liberalismus gewesen, die den Genius der amerikanischen Demokratie ausmachte. Wenn diese Traditionen mißachtet statt verteidigt werden, dann leidet die Nation. George McGovern
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen