Pikante Mail: Piraten beharken sich vor Gericht
Ein früherer Pressesprecher der Piraten hat den Berliner Abgeordneten Morlang als „Faschist“ bezeichnet. Der forder jetzt eine Unterlassungserklärung.
Wenn Piraten mit Piraten streiten, geht es zur Sache. Würde jedes Wort auf die Goldwaage gelegt – die Gerichte hätten viel zu tun. Alexander Morlang indes ist jetzt vor den Kadi gezogen. Der Pirat verklagte den Piraten Simon Lange, weil der ihn auf einer Mailingliste als „Faschist“ bezeichnet hatte. Am Donnerstag beschäftigte sich die Zivilkammer des Landgerichts mit dem Fall.
Der Kläger Morlang sitzt für die Piraten im Abgeordnetenhaus und ist Vorsitzender des Ausschusses für Digitale Verwaltung, Datenschutz und Informationsfreiheit. Sein Name ging 2012 durch die Presse, weil er in der Berliner Piratenfraktion der Einzige ist, der seine Nebeneinkünfte nicht vollständig veröffentlicht hat. Der Beklagte Simon Lange war von 2009 bis 2010 Pressesprecher der Piraten-Bundespartei. Heute ist der große untersetzte Mann mit langen dunklen Haaren einfaches Parteimitglied.
„Von Hass zerfressen“
Stein des Anstoßes ist eine E-Mail von Lange vom 26. Juni 2012. „Alex ist ein kleiner Faschist. Der ist ja so von Hass zerfressen, dass er gar nicht mehr richtig lesen kann“, hatte Lange geschrieben. Nach Schätzung von Morlangs Anwalt Christian Löffelmacher erreichte die Mail 600 Leute. Morlang, der sich am Donnerstag von seinem Anwalt vertreten ließ, fordert eine Unterlassungserklärung von Lange.
Die Gerichtsverhandlung ist nur von kurzer Dauer. Der Vorsitzende Richter Michael Mauck stellt gleich zu Beginn fest, dass es sich bei der Betitelung von Morlang als Faschist um keine Tatsachenbehauptung, sondern um eine Meinungsäußerung handele. Doch nicht jede Meinungsäußerung ist von der Meinungsfreiheit gedeckt. Zum Bespiel dann nicht, wenn es sich um eine Schmähkritik handelt. Allerdings sind die Grenzen fließend. So hat das Bundesverfassungsgericht vor einigen Wochen festgestellt, dass die Bezeichnung eines anderen als „rechtsradikal“ in einer Auseinandersetzung in einem Internetforum ein Werturteil und grundsätzlich von der Meinungsfreiheit gedeckt sei.
Mauck und seine Beisitzer unterbreiten den beiden Seiten den Vorschlag, sich gütlich zu einigen. Zunächst beißen sie damit auf Granit. Nach einer Auszeit mit seinem Anwalt gibt Simon Lange dann aber doch die gewünschte Erklärung ab, die den Weg zur einer außergerichtlichen Einigung ebnen könnte: Mit der Bezeichnung „kleiner Faschist“ habe er nicht zum Ausdruck bringen wollen, dass Morlang rechtsradikal sei oder sonst wie in die rechte Ecke gehörig. Danach wird das Verfahren ausgesetzt. Zum Abschied sagt der Vorsitzende Richter: Wenn Morlang und Lange nicht ins Reine kämen, könnten sie einen neuen Gerichtstermin beantragen.
Nach dem Prozess erklärt Morlangs Anwalt, er vermutete, dass Lange seinen Mandanten aus „persönliche Frustration“ beleidigt habe. Es sei nicht das erste Mal gewesen. Morlang und Lange kämen beide aus Hamburg. Im Unterschied zu Morlang habe Lange in der Partei keine Karriere gemacht, Letzterer sitze am „virtuellen Stammtisch“.
„Das sind böse Unterstellungen“, verwahrt sich Lange. Morlang sei bekannt dafür, dass er bei den Piraten „Andersdenkende persönlich diffamiert“. Das und nichts anderes habe er mit seiner Mail zum Ausdruck bringen wollen. Er habe Morlang mehrfach angeboten, den Konflikt in Form einer Mediation beizulegen. Doch Morlang habe ihm eine gebührenpflichtige Abmahnung geschickt. „Das muss man sich mal vorstellen! Wo wir Piraten gegen Abmahnungen eintreten.“
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