Philipp Mausshardt über KLATSCH : Schwarz wie ein Kohlenkeller
Wenn der Vorsitzende der bayrischen Wildhalter ins Erzählen kommt, versteht man die Alleinherrschaft der CSU
Zu den angenehmsten Pflichtterminen des Jahres zählt in meinem Kalender die „Wildpräsentation“ der bayrischen landwirtschaftlichen Wildhalter. Immer im Herbst lädt der Verband, von dessen Existenz ich bis vor wenigen Jahren noch keinen Schimmer hatte, zu einem fulminanten Abendessen in das Münchner Sheraton Hotel, wo ein eigens einbestellter Sternekoch die kulinarische Überlegenheit von Hirschkalbsmedaillon, Rehrücken und Rotwildragout einem kleinen Kreis von Auserwählten demonstriert.
Die Einladung verdanke ich dem Vorsitzenden der bayrischen Wildhalter, dessen Namen – Rudolf Konrad Graf Montgelas – so gar nicht bayrisch klingt und den dennoch jedes Münchner Kindl mühelos auszusprechen in der Lage ist: „Moschla“. In der bayrischen Metropole gibt es ein Moschla-Palais, eine Moschla-Brücke und eine Moschla-Straße. Außerdem eine Moschla-Gesellschaft, einen Moschla-Orden und ein Moschla-Denkmal – womit die Bedeutung dieses Adelsgeschlechts hoffentlich zur Genüge angedeutet ist.
Nur so viel: Maximilian Joseph von Montgelas reformierte Anfang des 19. Jahrhunderts das völlig rückständige bayrische Königreich und gilt als Vater der fortschrittlichsten Verfassung seinerzeit auf deutschem Boden (mehr darüber in jedem Meyers Konversationslexikon).
In mein Leben trat Rudolf Konrad Graf Montgelas durch eine Seitentür. Die Redaktion der Abendzeitung hatte mich nach Egglkofen im Landkreis Mühldorf geschickt, um die weithin gerühmten, im dortigen Schloss hergestellten Schnäpse auf ihre Qualität zu überprüfen. Ich saß mit der Brennerin, Erna Gräfin Montgelas, gerade bei einem Haselnuss-Destillat, als der Hausherr eintrat und mich um eine Zigarette anschnorrte. Vielleicht war es aber auch umgekehrt, so wie alles, was an diesem Nachmittag auf Schloss Egglkofen geschah, nicht ganz frei von Erinnerungslücken ist. So weiß ich beispielsweise zwar noch sehr genau, wie ich nach Egglkofen kam. An den Heimweg hingegen kann ich mich nicht mehr erinnern.
An jenem Nachmittag wurde das Fundament einer Freundschaft gelegt, das trotz des Altersunterschieds (der Graf könnte mein Vater sein) und der politischen Ausrichtung („ich bin so schwarz wie ein Kohlenkeller“) niemals ins Wanken geraten wird. Erst durch ihn habe ich verstanden, warum in Bayern die CSU auf alle Ewigkeit regieren muss und warum das auch gut so ist. Zweifel daran verflogen jedes Mal bei einem neuerlichen Besuch in der ehemaligen Waschküche des Schlosses, wenn die Gräfin entweder einen Holunderschnaps oder eine Vogelbeere einschenkte und der Graf aus seinem Leben erzählte.
Einmal, da war er noch bei BMW beschäftigt, musste Graf Montgelas zu Margot Honeckers 50. Geburtstag ein BMW-Cabrio nach Ostberlin überführen. Erich hatte den Sportwagen für seine Margot als Überraschung bestellt – streng geheime Mission. Montgelas fuhr den Wagen über die Zonengrenze, die DDR-Grenzer salutierten und servierten ihm Kaffee ans Autofenster. Aber auch mit Albaniens stalinistischem Diktator Enver Hodscha hat der Graf im Dienst der bayrischen Industrie und der damaligen Strauß-Regierung die Dinge auf seine Weise geregelt. Der albanische Alleinherrscher wollte Motoren aus Bayern, hatte aber kein Geld. Der Graf nahm im Gegenzug albanisches Katzenfutter mit nach Hause und verkaufte es an Whiskas.
Ja, wenn der Graf erzählt … Heute kümmert sich Montgelas um das Wohlergehen der Wildhalter. Das sind jene Bauern, die auf ihren brach liegenden Flächen Rehe und Hirsche im Gehege halten und von Zeit zu Zeit eines der Tiere mit dem Gewehr erschießen. Eine der menschlichsten Methoden, Fleisch zu erzeugen. Wehe aber, es stellt sich ihm dabei ein Landwirtschaftsminister oder eine Verbraucherministerin quer. Dann rast der Graf nach München oder Berlin und haut mit der Faust so lange auf alle Schreibtische der Staatskanzlei oder des Ministeriums, bis alle nachgeben und froh sind, wenn er wieder zu Hause in Egglkofen ist.
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