: Peruaner warten auf Sozialprogramm
■ „Fujimori hat uns betrogen“ / Die politische Linke ist rat- und sprachlos / Marine dementiert Rebellion
Aus Lima Carmen Rojas
Ganz Peru schien das Wochenende vor dem Fernseher zu warten: Die „ergänzenden Maßnahmen“, die die Regierung Fujimori mit der Verkündung ihres rigorosen Schockprogramms letzte Woche in Aussicht gestellt hatte, sind für viele PeruanerInnen zu einem letzten Rettungshalm geworden. 450 Millionen Dollar schwer soll das angekündigte „Wohlfahrtsprogramm“ zur Abfederung der ökonomischen Roßkur sein. Über Volksküchen und Basisorganisationen sollen so die elementarsten Lebensbedingungen für die sieben Millionen PeruanerInnen erhalten werden, die mit weniger als 30 Dollar pro Monat auskommen müssen. Aber wo angesichts der bankrotten Staatskassen das Geld dafür herkommen soll, weiß niemand. Als Premierminister Hurtado Miller am Wochenende vor die Fernsehkameras trat, mochte er die Bevölkerung nur um ein paar Tage Aufschub bitten; erst Anfang der Woche könnten die „ergänzenden Maßnahmen“ bekannt gegeben werden...
Die Menschen, die dem „Under-Dog“ Fujimori vor wenigen Wochen einen sensationellen Wahltriumph über den weltbekannten Schriftsteller Vargas Llosa bescherten, sind wie gelähmt. Der Literat hatte nicht zuletzt durch seine Ankündigung eines „unvermeidbaren“ neoliberalen Schockprogramms im Wahlkampf Minuspunkte eingefahren. Daß auch mit Fujimori harte Maßnahmen zur Sanierung der zerrütteten Wirtschaft ins Haus stehen würden, war erwartet worden; die Schärfe des verkündeten Schockprogramms hat jedoch alle Prognosen übertroffen. Die Preise sind explodiert, viele Grundnahrungsmittel kosteten über Nacht das Zehnfache. Die wenigen geöffneten Märkte mit den neuen Preisen waren Schauplatz dramatischer Szenen. „Wir haben gegen den Schock von Vargas Llosa gestimmt!“, schrien Kunden, die für ihre 500.000 Intis in der Tasche nichts mehr kaufen konnten, „Fujimori hat uns betrogen!“
Die politische Linke ist rat- und sprachlos. Schließlich sitzen am Kabinettstisch auch eine Erziehungsministerin von „Izquierda Unida“ (Vereinigte Linke - IU) und ein Minister für Energie und Minen von der IU-Abspaltung „Izquierda Socialista“ (Sozialistische Linke - IS). Zwar nahmen diese „als Personen“, nicht als VertreterInnen ihrer jeweiligen Partei in den Ministersesseln Platz. Sie brauchten dafür nicht ihre Parteimitgliedschaft auugeben, so wie Premierminister Hurtado Miller, der aus der rechten „Accin Popular“ (Volksaktion - AP) ausscheiden mußte, um als Verkünder des Wirtschaftsprogramms für die Regierung Fujimori den Bluthund zu spielen.
Die soziale Situation in Peru ist extrem angespannt, bei Plünderungen in Armenvierteln hat es Todesopfer gegeben und Dutzende sind verhaftet worden. Umso bemerkenswerter ist, daß die maoistische Guerilla des „Sendero Luminoso“ zur Zeit praktisch nichts von sich hören läßt. Seit der kurzzeitigen Besetzung des 'dpa'-Büros in Lima Ende Juli sind auch die Guerilleros des „MRTA“ (Revolutionäre Bewegung Tupac Amaru) nicht mehr aufgetaucht.
Derweil hat die peruanische Kriegsmarine in einem offiziellen Kommunique dementiert, daß es in ihren Reihen zu Meutereien gegen die Regierung gekommen sei, nachdem Fujimori gleich massenhaft Offiziere aller Waffengattungen in den Ruhestand versetzt hatte. Auch wenn die Wogen zunächst geglättet scheinen, bleibt der Unmut im Militär über „Fujis“ spektakuläre Säuberungsaktion beträchtlich. Fujimori teilt Schläge aus, aber auch Geschenke: drei Ministerposten, darunter das Innenministerium, sind an Heeresgeneräle gegangen.
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