■ Per anerkanntem Fernkursus zum Sterndeuter: Geistige Tiefflieger
München (taz) – Der „Deutsche Astrologenverband“ verlautbart, endlich sei der „Durchbruch“ gelungen: Erstmalig gebe es jetzt eine „staatlich anerkannte Berufsausbildung für Astrologen“. Ein von dem Freiburger Verband herausgegebener Fernkursus „Astrologische Menschenkunde“ sei von der „Staatlichen Zentralstelle für Fernunterricht“ (ZFU) in Köln offiziell zugelassen worden (Zulassungsnummer: 741 094v). Seit im Jahre 1861 der Erlanger Professor Pfaff letztmals eine Vorlesung zur Schicksalsdeutung aus dem Stand der Gestirne an einer deutschen Universität hielt, werde damit endlich wieder „eine astrologische Ausbildung staatlich abgesegnet“.
Der Kurs besteht aus 105 Tonbandkassetten, zwölf Lehrheften und sechs Wochenendseminaren und wurde von dem einschlägig bekannten Astropsychologen Peter Niehenke zusammengestellt. Dieser hatte 1987 an der Universität Bielefeld mit einer Arbeit über „Kritische Astrologie“ promoviert, was von einer eigens einberufenen unabhängigen Wissenschaftskommission heftig gerügt worden war. Niehenke mußte sich die Bewertung seiner Arbeit als „akademischen Tiefflug“ gefallen lassen: Er verlor in zwei Instanzen gegen den Leiter der Paderborner Sternwarte, Reinhard Wiechozcek, der den Umstand kritisiert hatte, es sei Niehenke gelungen, „die Öffentlichkeit mit akademisch getarntem Unsinn zu täuschen“ (LG Paderborn 4 O 135/89 / OLG Hamm U 176/89).
Als ZFU-Gutachter für den Sterndeuter-Kursus fungierte der Bielefelder Psychologe Prof. Dr. Otto Lockowandt, der – welch Zufall – auch als Doktorvater Niehenkes in Erscheinung getreten war. In seinem Gutachten ist von „modernen didaktisch-methodischen Gesichtspunkten“ die Rede, von „kontrollierter Kompetenzerweiterung“ und „stets wachsender Lernfreude“. Er hält Niehenkes Lehrgang für den „besten bisher auf dem Markt befindlichen Kurs“. Kosten: 6.300 Mark. Kritik an seiner Affinität zu ausgewiesenem Unfug wie der astrologischen Zukunftsschau weist Professor Lockowandt als „rational-faschistische“ (!) Kampfpropaganda zurück. Die Darmstädter „Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften“ (GWUP) erwägt Beschwerde beim nordrhein-westfälischen Wissenschaftsministerium. Die ZFU hat inzwischen schon zurückgesteckt: Niehenkes Fernkursus gelte keineswegs als „staatlich anerkannte Berufsausbildung“; derlei werbewirksame Behauptung sei „irreführend und falsch“. Colin Goldner
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen