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Patient zeigt sich stabil

Sommerliche Sause bei beschworener Krise: Noch bis Mittwoch laufen die disjährigen „Maximum HipHop“-Tage. Musikalisches herzstück ist wiederum das „Flash“ Open Air am Wochenende im Stadtpark

von ALEXANDER DIEHL

Die Leute, so bemerkt Rapper Dendemann in einer demnächst veröffentlichten Zusammenarbeit seiner Crew Eins, Zwo mit dem alten Hamburger Produzentenhasen I.L.L. Will, fragten ihn neuerdings immer: „Was soll denn nur aus HipHop werden nach dem Boom.“ In der ihm eigenen Bescheidenheit weiß er lediglich zu antworten: „Ich hab zu tun. Also lasst mich bitte mit dem ganzen Quatsch in Ruhe. Ich könnt dir viel erzählen, aber ich hab zu tun.“

Von einer Krise im deutschsprachigen HipHop ist inzwischen sogar in den so genannten Waschzetteln zu einschlägigen Majorveröffentlichungen die Rede; selbstverständlich ist der jeweils vorliegende Newcomer oder Veteran dann immer die Ausnahme von der mediokren Gesamtlage. Erfolg ist längst nicht mehr garantiert in dem Marktsegment mit schnell alternder Zielgruppe, und so wurde man in den A&R-Abteilungen und hippen Sublabels auch wieder wählerischer. Dass einer wie Dendemann „zu tun“ hat, nährt dabei durchaus die Hoffnung, dass sich eine gewisse Eigenständigkeit (um nicht zu sagen: Qualität) auszahlt, die paar Guten also länger im Geschäft bleiben.

Eins, Zwo stehen nur beinahe ganz oben auf den Plakaten des diesjährigen Flash-Festivals, das am kommenden Wochenende wiederum das musikalische wie eventmäßige Herz der Hamburger „Maximum HipHop“-Tage bildet. Nach zwei Jahren am Millerntor zog man in das familiärere Ambiente der Stadtpark-Freilichtbühne zurück, dafür wurden aus einem Tag Programm zwei, so, als wolle man jeden Verdacht neuer, gar unfreiwilliger Bescheidenheit zerstreuen.

Etliche alte Bekannte treten da auf, den Schwerpunkt bilden traditionell lokale Rap-Gewächse, die längst nicht mehr nur lokal bekannt sind. So spielen Absolute Beginner eines der ersten Konzerte mit neuem Material, während Fettes Brot vom Rocken großer Festivalbühnen aufgewärmt, in guter Form sein dürften.

Neben den ganz großen (weiter: Deichkind und Ferris MC) kommt mit Twisted, Bender oder auch Altonas inzwischen vermutlich dem Stimmbruch sich nähernden Kriss-Kross-Gedächtnispreisträgern Kurzer Prozess auch der hiesige, äh, Nachwuchs zum Zuge. Besonders erfreulich auch: Wiederum hat man auch an andere inländische Produktionsstandorte gedacht und die Kölner Die Firma, Ulms finest Kinderzimmer Productions, Blumentopf aus München oder auch Moabit (aus ebenda) geladen. Weil es überdies auch international zugehen sollte, standen anfangs Slum Village, später kurzfristig gar die mindestens so legendären Jungle Brothers auf dem Plan; schlussendlich spielen allerdings weder diese noch jene.

Ebenfalls regelmäßiger Bestandteil von „Maximum HipHop“, das ja mit gewissem Recht nicht „Maximum Rapmusik“ heißt, ist neben der Graffiti-Ausstellung „Urban Discipline“, die noch bis zum kommenden Dienstag zu sehen ist, das nationale Finale der Weltklasse-DJs der International Turntablist Federation (ITF). Die Besten der Vorrunden treten am Freitag gegeneinander an, es kommt zu Darbietungen zwischen Spaß und gelegentlich selbstzweckhafter Technikdemonstration, und mittendrin gibt sich auch noch die ehrliche Haut unter Hamburgs Reimern, Nico Suave, die Ehre. Der heutige Donnerstag, das lesen Sie an anderer Stelle auf diesen Seiten, rundet das Programm ab mit einem hierzulande nie gezeigten Dokumentarfilm zum Thema (Scratch – The Movie) sowie einem Auftritt der Berliner Puppetmastaz, rappenden Puppen von zuweilen mäßigem Betragen.

Ob und wie das alles im nächsten Jahr aussehen wird, ob die Rückkehr zum Handwerksfleiß, das Wissen um die richtigen Prioritäten (oder was auch immer) zu einer Erholung des vermeintlichen Patienten geführt haben, oder ob sich ein solch mittelgroßes Event, ausschließlich auf HipHop fokussiert, gar nicht mehr lohnt, bleibt offen.

„Rollen Aller“, „Scratch – The Movie“ und The Puppetmastaz (live): Donnerstag, 21.15 Uhr, Metropolis; Nationale ITF-Endausscheidung, Plattenbörse (Eintritt frei) und Live-Acts: Freitag, 17 Uhr, Markthalle; Flash 2002: Sonnabend und Sonntag, jeweils ab 15 Uhr, Freilichtbühne Stadtpark; „Urban Discipline“: bis Mittwoch, tägl. 12–21 Uhr, Astra-Hallen, Bavaria St. Pauli Brauerei; Infos und letzter Programmstand: www.maximumhiphop.de

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