■ Patentschützer sollen über Gentherapie entscheiden: Machbarkeitswahn
Das Europäische Patentamt (EPA) gerät wieder einmal in die öffentliche Diskussion. Den Patentschützern in München wird die Aufgabe zugeschoben, eine Vorentscheidung darüber zu fällen, wie weit der Machbarkeitswahn der Gentechniker gehen darf.
Ging es bisher um die Frage, ob Tiere oder Teile des Menschen unter Patentschutz gestellt werden dürfen, so sollen nun die Münchener EPA-Beamten entscheiden, ob die „gentechnische Optimierung“ des Menschen gegen „die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten“ verstößt. Das EPA als oberster Sittenwächter – das kann und darf nicht sein. Erste Stellungnahmen aus München lassen vermuten, daß das EPA den Patentantrag an der technischen Unausgereiftheit des Verfahrens scheitern lassen wird. Noch gibt es zu viele Unwägbarkeiten beim Eingriff in die menschliche Keimbahn. Die Gefahr scheint gebannt – wir können uns bequem zurücklehnen, und in den Genlaboren kann ungestört weitergeforscht und experimentiert werden. „Nur für die Tierzucht“, wird es dann heißen.
Doch bevor künstliche Befruchtung, pränatale Diagnostik oder die somatische Gentherapie Einzug in die Medizin gehalten haben, wurde auch „nur an Tieren“ experimentiert. In ein paar Jahren wird dann das EPA erneut mit der Frage nach Patentschutz für die Keimbahntherapie konfrontiert sein. Gesundheitliche Risken werden dann nicht zur Diskussion stehen.
Im deutschen Embryonenschutzgesetz ist der Eingriff in die menschliche Keimbahn zwar verboten, doch hinter den Kulissen wird bereits über eine Aufweichung diskutiert. Die Entscheidung über unsere Zukunft wird den Politikern aus der Hand genommen. Wissenschaft und technischer Fortschritt gewinnen immer mehr Einfluß auf die Gestaltung unserer Gesetze. Unter dem Druck der Wissenschaftler wird das Verbot der Keimbahntherapie fallen.
In der seit fast sechs Jahren in Brüssel diskutierten Richtlinie zur Patentierbarkeit von biologischen Erfindungen wird auch der Mensch für industrielle Verwertungsinteressen freigegeben. Menschliche Gene, einzelne Zellen und die Keimbahntherapie sollen unter Patentschutz gestellt werden dürfen. Noch in diesem Jahr sollen Empfehlungen des Europarates verabschiedet werden. Über Eingriffe in das menschliche Erbgut konnte keine Einigung erzielt werden. Wie nicht anders zu erwarten war, soll die Option für eine menschliche Zuchtwahl erhalten bleiben. Wolfgang Löhr
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen