Parlamentskandidat in Simbabwe: "Sie hätten mich ermordet"

Silas Gweshe, Parlamentskandidat der MDC, musste nach dem ersten Wahlgang im März vor Mugabes Milizen fliehen, um sein Leben zu retten.

taz: Herr Gweshe, warum sind Sie auf der Flucht?

Silas Gweshe: Unmittelbar nach der Wahl ist eine Gruppe von Mugabes Milizen durch die Stadt gezogen. Ein Freund hatte mich gewarnt, deshalb konnten meine Familie und ich uns gerade noch rechtzeitig verstecken.

Was ist dann passiert?

Die Milizen haben mein Haus und das Getreidelager mit Brandbomben beworfen, sie haben das Feld in Brand gesteckt und mein Vieh gestohlen. Ich habe alles verloren. Meinen Vater, er ist 78 Jahre alt, haben sie später bewusstlos geschlagen. Er ist trotzdem geblieben, er ist einfach zu alt, um woanders hinzugehen.

Warum gehen Sie nicht nach Hause?

Ich kann nicht zurück. Ich bin der MDC-Kreisvorsitzende, und sie haben seit der Wahl schon viele umgebracht, die unwichtiger waren als ich. Mein Vater und meine Verwandten leiden meinetwegen, sie müssen sich täglich bei der Polizei melden und dort erklären, dass sie nichts mehr mit mir zu tun haben wollen.

Wie ist die Situation in Mutoko heute?

Von den zehn Gemeinden in meinem Wahlkreis hatten wir zwei gewonnen, und die Gewinner haben sich Mugabes Parteisoldaten als Erste gegriffen. Erst haben sie sie verprügelt und gefoltert, aber dann haben sie angefangen, Leute zu töten. Ich habe drei meiner Parteigenossen begraben, und ich habe Beweise, dass Mugabes Leute sie umgebracht haben. Sie haben es schnell getan. Bevor die ersten Wahlbeobachter ankamen, haben sie die Folterlager abgebaut, sie waren schon fertig.

Wie überleben die Menschen im Alltag?

Die Leute haben nichts zu essen, es gibt keine Ärzte, keine Medikamente. Busse fahren nicht mehr. Niemand kann fliehen. An den Straßenrändern liegen Leichen oder Leute, die bis zur Bewusstlosigkeit geschlagen wurden.

Warum haben die Leute denn überhaupt für Robert Mugabe und seine ZANU-PF-Partei gestimmt?

Man hat sie eingeschüchtert. Die ZANU-PF-Funktionäre haben gedroht: Wenn ihr für die Opposition stimmt, kommen die Weißen zurück und nehmen unser Land. Außerdem haben sie gesagt: Dieses Land wurde mit Waffen erobert. Wenn ihr gegen uns stimmt, dann richten wir diese Waffen auf euch.

Das heißt, eine Stichwahl wäre ohnehin sinnlos gewesen?

Ich weiß nicht. Die Leute sind ängstlich, aber auch wütend, so wütend wie noch nie. Kurz vor der Unabhängigkeit 1980 haben sie für Mugabe und ZANU-PF gestimmt, um den rassistischen Diktator Ian Smith loszuwerden. Aber jetzt sagen fast alle, dass die Lage viel schlimmer ist, als sie unter Smith je war. Eine faire Wahl wäre schlicht unmöglich gewesen. Ich bin der prominenteste Politiker in meinem Wahlkreis, aber ich konnte nicht einen Tag Wahlkampf für Morgan Tsvangirai machen. Sie hätten mich ermordet.

Oppositionelle hatten es schon immer schwer in Simbabwe. Warum sind Sie überhaupt angetreten?

Ich bin eigentlich Menschenrechtler, mit Politik hatte ich früher nie was am Hut. Aber diesmal wollte ich mich zur Wehr setzen gegen die Unterdrückung, die Simbabwe bis in die Gemeinden durchzieht. Ich habe meine Rechte eingefordert, und dafür habe ich alles geopfert.

Bedauern Sie es, angetreten zu sein?

Nein, ich bereue nichts. Wenn es die Freiheit bringen würde, wäre ich immer noch bereit, zu sterben.

INTERVIEW: MARC ENGELHARDT

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.