: Paragraph 218-betr.: "Keine Vorentscheidung", Interview mit Monika Frommelt, taz vom 6.8.92
betr.: „Keine Vorentscheidung“, Interview mit Monika Frommelt, taz vom 6.8.92
Seit der Entscheidung in Karlsruhe bezüglich des Paragraphen 218 scheint es unter den GegnerInnen der Indikationsregelung Einigkeit zu geben. Die einstweilige Anordnung sage nichts über die Verfassung des Verfassungsgerichts aus.
Tut sie aber eben doch!
Wenn an der Bundestagsneuregelung alles selbstverständlich wäre, könnte das Gesetz auch sofort in Kraft treten. Monika Frommel ist sich sicher, daß es nur zwei Richter gibt, die die Neuregelung ablehnen. Ich komme unter folgenden Grundannahmen zu ganz anderen Schlußfolgerungen:
1. Es gibt in der gesamten Geschichte der BRD keine einzige einstweilige Anordnung des Verfassungsgerichts, die nicht ein Abschmettern des Gesetzes in der Hauptsachenentscheidung nach sich gezogen hätte.
2. Alle Verfassungsrichter gelangen über den ausgemauschelten Parteienproporz in diese Entscheidungsposition. Daher ist davon auszugehen, daß, wenn die „CDU“- Richter einigermaßen das Bundestagsspektrum ihrer Partei repräsentieren, sie zu mehr als 80 Prozent gegen die Bundestagsregelung sind. Das heißt vier Stimmen gegen die Neuregelung von acht Stimmen insgesamt.
3. Ernst-Wolfgang Böckenförde, einer der „SPD“-Richter, ist ein strikter Gegner jeglicher Fristenregelung. Als Mitglied der erzkonservativen Juristenvereinigung Lebensrecht (so Barbara Ritter in: Vorsicht „Lebensschützer“, Konkret-Verlag, 1991), die den juristischen Sachverstand für die Normenkontrollklage Bayerns gegen die Krankenkassenfinanzierung von Abbrüchen geliefert hat, dürfte eine weitere Stimme gegen die Neuregelung liefern. Damit wäre er Mehrheitsbeschaffer für eine Ablehnung (5:3).
Als Befürworterin einer ersatzlosen Streichung (Frommel) so zu tun, als sei alles bestens, erscheint mir absurd. Natürlich ist es merkwürdig, für eine Fristenregelung mit Zwangsberatung zu mobilisieren, die wollten wir schließlich nie. Aber dies ist kein Grund, die einstweilige Anordnung runterzukochen.
Die Haltung der SPD/FDP- Frauen ist noch unverständlicher. Gute Miene zum bösen Spiel zu machen und devot den endgültigen Richterspruch abzuwarten, statt nun die nach allen Meinungsumfragen haushohe Mehrheit der FristenregelungsbefürworterInnen zu mobilisieren, ist unpolitisch. Gesellschaftliche Mobilisierung kann auch das Bundesverfassungsgericht beeinflussen, so autistisch ist das Gremium, trotz postulierter Unbeeinflußbarkeit, dann auch wieder nicht. Es beeindruckt auch RichterInnen, wenn sie sehen, daß ein Zurückfallen hinter einen im Bundestag erzielten Minimalkonsens den sozialen Frieden mit den Frauen in der hiesigen Männergesellschaft gefährden kann. Aber politstrategische Erwägungen sind in der BRD momentan Mangelware. Gramscis Theorie von gesellschaftlicher Hegemonie beherrschen in der BRD nur die Rechten (Reps & Co.) wie die Asyldebatte beweist. Anke Uhl, Freiburg
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