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Papstbesuch in SpanienDie katholische Macht zerfällt

Zum Teil handgreiflich wird in Madrid gegen den Papstbesuch und die öffentliche Finanzierung des Weltjugendtages protestiert. Von Spiritualität keine Spur.

So hatten sie sich das nicht gedacht: Nonnen umzingelt von Demonstranten in Madrid. Bild: dapd

MADRID taz | Rund 10.000 Menschen haben am Mittwochabend an einer Demonstration gegen die Finanzierung der Kosten des Weltjugendtags sowie des Papstbesuchs von offiziell 50 Millionen Euro durch den Steuerzahler teilgenommen. Aufgerufen hatten dazu der Verband der atheistischen Freidenker, aber auch christliche Basisgemeinden. Ihr Protest richtete sie gegen das Sponsoring der Veranstaltung durch Banken und Bauunternehmen, die sie für die Spekulationswirtschaft der letzten Jahre und somit auch für die in Spanien besonders harte Krise verantwortlich machen.

Die Spenden können von der Steuer abgesetzt werden. Zudem rechnen sie vor, dass der Staat die katholische Kirche im Jahr mit 10 Milliarden Euro unterstütze. Das ist deutlich mehr, als die rund 250 Millionen Euro, die die Kirchensteuer abwirft. Die kirchenkritischen Verbände haben bei ihrer Rechnung auch die vielen katholische Schulen und Sozialeinrichtungen berücksichtigt.

Ein Bischofssprecher hatte die Kritiker schon im Vorfeld "Parasiten" genannt. Die Konfrontation setzte sich dann auf der Straße fort. Pilger blockierten den für die Kundgebung genehmigten und für die Jugendprotestbewegung der "Empörten" so symbolträchtigen Platz Puerta del Sol, mancher kniete sich sogar vor den Protestzug und begann einen Rosenkranz zu beten. Die Wortgefechte wurden immer heftiger. Auf die "Benedicto"-Rufe der Pilger antworten die Demonstranten "Nazi" oder "Pädophiler".

Am Ende musste die Polizei die Pilger zurückdrängen, doch da war die Eskalation schon viel zu weit fortgeschritten. Wer sich mit dem bunten Pilgerrucksack noch auf den Platz traute, wurde mit wütenden Rufen wie "diesen Rucksack habe ich mit meinen Steuern bezahlt" wieder davongejagt. In der Nacht setzte die Polizei dann Schlagstöcke gegen die letzten Demonstranten ein. Acht Menschen wurden verhaftet, elf wurden verletzt.

Jahrmarktstimmung in den Paseos

Dabei hätte ein offener Dialog die Situation schon im Vorfeld entschärfen können, beklagt auch die Delegation des Bundes der Katholischen Jugend Deutschlands (BDKJ). Schließlich wären soziale Gerechtigkeit oder Wege zur Verwirklichung der Millenniumsziele durchaus Themen, über die sich engagierte Jugendliche innerhalb wie außerhalb der katholischen Kirche hätten austauschen können.

Doch solche Kontakte sieht das Programm des Weltjugendtags nicht vor.

Die großen religiösen Feiern des Weltjugendtags in der engen Madrider Innenstadt spiegeln nach Meinung eines deutschen Pfarrers eher das Bedürfnis der Kirche wider, möglichst spektakuläre TV-Aufnahmen von vollen Plätzen und Avenidas zu bekommen. Dabei kommt die spirituelle Erfahrung für viele zu kurz. Denn die meisten Gläubigen bekommen die Gottesdienste auf der spektakulären, vor dem Madrider Rathaus aufgebauten Bühne auf dem Cibeles-Platz nur auf riesigen Bildschirmen zu sehen. Ansonsten: Jahrmarktstimmung in den Paseos von Madrid.

Dabei ist die Demonstration angeblicher katholischer Macht in Spanien ein Zerrbild. Gerade die Jugendlichen kehren der Kirche den Rücken. 80 Prozent gehen so gut wie nie in die Kirche. Nicht einmal Rentner sind mehr treue Kirchgänger. Nur ein Viertel von ihnen besucht noch fast jeden Sonntag die Messe. Der soziale Rückhalt der einstigen Staatskirche, Stütze Francos im Spanischen Bürgerkrieg (1936-1937) und seiner sich anschließenden jahrzehntelangen Diktatur, schwindet schnell.

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18 Kommentare

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  • JL
    Javier Lopez Lozano

    250 Millionen Euro Steuergelder. Diese stammen von Personen die arbeiten und offenbar ausdrücklich katholische Kirche angekreuzt haben. Dagegen protestieren zumeist Personen die von den Steuern dieser Personen leben.

     

    Die Protestierenden haben verschiedene Altersstufen, manche sind vor 1975 in im einem faschistischen Staat geboren worden. Die Pilger sind 15-18 Jahre alt.

     

    Diese als "Pädophile" zu bezeichnen?

     

    Und woher stammen sie? Aus Südamerika. Einem Kontinent der von den Vorfahren dieser Protestierenden Jahrhundertelang ausgebeutet wurde.

     

    Wer nennt hier wen Faschist?

  • PS
    Post Scriptum

    http://www.youtube.com/watch?v=9zJCgUu5mtE&feature=topvideos_music

     

    No further comment

     

    Übrigens, Spanischer Bürgerkrieg: 1936-39. Franco-Terror: 1939-75.

  • DG
    Dirk Gober

    50 mio., ein Haufen Geld.

    Und jetzt errechnen wir die Kosten pro Besucher, pro Gläubigem.

    Jedes Fußballspiel (was in der taz-Welt erlaubt ist), kommt um ein Vielfaches teurer, eignet sich aber nicht für Hetztiraden.

     

    Die Macht der Kirche zerfällt tatsächlich, und das ist nicht einmal schlecht. Aber wehrt sich die Katholische Kirche dagegen mit Mordaufrufen, tätigem Morden, Aufrufen, dem Unglauben mit mörderischer Gewalt zu begegnen? Nein, das tut allerdings die Lieblings"religion" der taz-Leser und -Redaktion.

     

    Mit solchen Artikeln entlarvt Ihr Euch. Merkt Ihr das denn nicht mehr? Sind die ideologische Verblendung und der Hass auf alles Westliche schon so weit fortgeschritten, daß Ihr nicht einmal mehr spürt, wenn Ihr Euch selbst den Dolch in den Schenkel rammt?

  • KK
    Karl K

    "Von Spiritualität keine Spur".Timothy Garton Ash wird's freuen. Vor allem, weil's so schnell geht.

  • WR
    Weiße Rose

    Hoffentlich darf ich den Tag noch erleben, an dem der Vatikan zum Disneyland mutiert!

    2000 Jahre grober Unfug sind wirklich genug.

  • V
    vic

    Natürlich kann der Papst kommen. Sofern die Rechnung, immerhin ca. 50 Millionen Euro, von denen beglichen wird, die wollen dass er kommt.

    Mir kann er gestohlen bleiben, und für so etwas hab ich kein Geld.

    Die spanischen Gegendemonstranten find ich gut!

    Venceremos!

  • A
    Artur

    Da werden einfach jahrelang überdachte Pläne zum Gelingen des Weltjugendtages in Madrid umgesetzt und die selbsternannten Räte auf den Plätzen Spaniens werden nicht konsultiert.

     

    Da können die von der Taz mit Häme bedachten Nonnen ja noch froh sein, mit dem Leben davon gekommen zu sein.

    Aber in Deutschland und Europa stehen schon lange nur mehr tibetische Nonnen unter Artenschutz.

     

    Schade wäre wenn nun auch noch der Papst etwas sagt, worüber alle mal nachdenken müssten, denn den Preis kann hier wirklich niemand mehr bezahlen.

  • I
    irratzional

    Ein spanischer Demonstrant bringt es auf den Punkt:

     

    Macht den Vatikan zu, das Guantanamo des Verstandes!

     

    http://i.imgur.com/xyFD5.jpg

  • G
    Gallier

    Die Katholische Kirche ist ein Überbleibsel aus vergangenen Zeiten, und sie hat ihre Prüfungen nicht bestanden.

    Viele Kinder in armen Ländern krepieren, weil der Papst gegen Verhütungsmittel ist.

     

    Jeder soll glauben, was er will, aber diese Kirche darf keine öffentliche Rolle spielen. Das ist reine Privatangelegenheit, und der Papst muss aus dem Vatikan raus, er soll in eine bescheidene Bleibe umziehen, um seinen Schäfchen ein tugendhaftes Beispiel zu geben.

  • HI
    Hans-Dieter Illing

    Dass Christen verfolgt werden hatten wir zuletzt im Dritten Reich. Anscheinend ist es wieder soweit. Die Wirtschaft geht ja auch wieder bergab.

  • H
    Hugo

    "Gerade die Jugendlichen kehren der Kirche den Rücken. 80 Prozent gehen so gut wie nie in die Kirche. Nicht einmal Rentner sind mehr treue Kirchgänger."

     

    Tja so ist das halt in einem Land wo man den (Aber-)Glauben den Menschen seit Jahrthunderten aufzwingen will. Beliebt war sie dort noch nie bei einem Großteil der Menschen und die hohe Zahl der Katholiken resultiert daraus das es eben unter Franco zwang war katholisch zu sein. Ihr wollt Wissen wie beliebt die Rückwärtsgewandte, reaktionäre katholische Kirche in Spanien ist? Recherchiert mal wie viele angriffe es auf Kirchen, Klöstern und sonstigen kirchlichen Einrichtungen in den letzten 200Jahren in Spanien gab! Dann assoziert gewiss kaum einer noch Spanien mit "Alles gläubige Katholiken"!

  • F5
    für 50 Millionen Euro

    Na wenn Leute wegen Ihres bunten Rucksacks und 50 Millionen Euro von einem Platz vertrieben werden dürfen dann dürfen "Wir" doch auch mal "die Griechen" ein wenig beschimpfen.

     

    Oder sollten wir das nicht weil man Grundregeln der Toleranz einhalten kann auch wenn man mal anderer Meinung ist oder zu einer Gruppierung gehöhrt?

  • M
    mrkern

    Kleine Alltagsbeobachtung:

     

    Nicht zu vernachlässigen sind die derzeit stark spürbaren Einsparungen in Spanien. Die ohnehin benachteiligte Jugend (>40% Arbeitslosenquote bei den unter 25-jährigen Spaniern) müssen deutliche Preissteigerungen hinnehmen. Im Juli kostete ein Bus oder Metroticket in Madrid noch 1,00 EUR, seit einigen Tagen nun 1,50 EUR.

     

    Die Pilger erhalten 80% Rabatt in den öffentlichen Verkehrsmitteln. Arbeitslosen steht dies hier nicht zu. Weiterhin laufen die jungen Gäste hier mit Gutschein- und Rabattheftchen durch die Gegend und essen fleißig bei McDonalds, Burger King usw.

     

    Gruß aus Madrid.

  • T
    TheOrbitter

    "Ein Bischofssprecher hatte die Kritiker schon im Vorfeld "Parasiten" genannt."

     

    Hahaha, was für ein weltfremder Vollidiot. Angesichts der Tatsache, "... dass der Staat die katholische Kirche im Jahr mit 10 Milliarden Euro unterstütze. Das ist deutlich mehr, als die rund 250 Millionen Euro, die die Kirchensteuer abwirft." möchte man diesen geistig minderbemittelten Schmarotzer mal fragen, wer hier wohl der Parasit ist!

  • W
    Weinberg

    Der Sprecher der spanischen Bischofskonferenz, Juan Antonio Martínez Camino, hat sich ganz offensichtlich geirrt, denn nicht die Demonstranten sondern die katholischen Würdenträger sind die wahren PARASITEN.

     

    Für diese christlichen Parasiten, die es schon immer ausgezeichnet verstanden haben, mit den Zuwendungen des spanischen Staates in Höhe von mehreren Milliarden Euro jährlich ein überaus gutes Leben zu führen, gelten die Worte: „Pecunia non olet“ (Geld stinkt nicht).

     

    Es wäre ganz wunderbar, wenn diese Herrschaften endlich vom Staats-Trog vertrieben würden. Hoffentlich wird dies in naher Zukunft Realität!

  • T
    Tomate

    Wäre ja mal ganz gut für die Kirche, wenn man sich dort Gedanken machen würde, woher der ganze Zorn und die Entfremdung eigentlich kommen.

     

    Aber nein, das sind ja alles nur "Parasiten", Modernisten, Ungläubige und Lästerer - und fertig. "Parasiten" - nach einer Eingebung des Heiligen Geistes hört sich das nicht gerade an.

  • TF
    Thomas Fluhr

    Gefühlte Ohnmacht sucht ein Ventil. Die katholische Kirche fühlt sich, als über diesen prekären Dingen stehende Organisation. Zwei nicht gut zu heissende Bedingungen treffen aufeinander. Ob die Millionen, die so ein Veranstaltung verschlingt, nicht sinnvoller zu nutzen wäre? Wurde die Jugend Somalias auch eingeladen?

  • A
    andi

    endlich mal gute nachrichten :D