Pannen der US-Behörden bei Anschlag: Obamas Hurrikan "Katrina"
Für die Republikaner kommt der Anschlagsversuch perfekt, um Obama als untätig darzustellen. Schon wird sein Auftritt mit Bushs Reaktion auf Hurrikan "Katrina" verglichen.
WASHINGTON taz | Barack Obama war sichtlich bemüht, auf die Öffentlichkeit so zu wirken, als habe er die Dinge unter Kontrolle. Mit der ihm eigenen Ruhe teilte er am Montag an seinem Urlaubsort Honolulu mit, dass alles getan werde, um die Flugsicherheit zu garantieren. Untersuchungen würden angestellt, wie es zu dem Beinaheanschlag auf den Flug 253 nach Detroit kommen konnte, sagte er.
Gleichzeit räumte der US-Präsident Fehler der Behörden ein. Die "katastrophalen" Sicherheitsmängel seien "vollkommen inakzeptabel". Offenbar stellten sich die Geheimdienste alles andere als geschickt an im Umgang mit der Warnung des Vater des verhinderten Attentäters. "Es scheint, dass diese Information vor Wochen einer Abteilung unserer Geheimdienste mitgeteilt, aber nicht effizient weitergeleitet wurde", sagte Obama.
Das System der Überwachungslisten, das versagt hatte, würde überarbeitet werden und seine Regierung werde weiterhin Terroristen unter Druck setzen, sagte der Präsident – "gleich, ob sie in Afghanistan, dem Jemen, Somalia oder sonst wo sitzen".
Obamas Besänftigung wirkte diesmal nicht besonders gut. Schon in den Abendnachrichten wurden Vergleiche zwischen der Reaktion von Obama auf das versuchte Attentat und der Reaktion von George Bush auf den Hurrikan "Katrina" von 2005 gezogen.
Obama war am Weihnachtstag erst einmal Golf spielen gegangen und hatte, wie einst Bush, die Situation zunächst nicht besonders ernst genommen. Hinzu kam das unglückliche Auftreten seiner Heimatschutzministerin Janet Napolitano, die zunächst behauptete, das System funktioniere. Ein offenkundiger Unsinn angesichts der Tatsache, dass ein Selbstmordbomber mit Sprengstoff in einem amerikanischen Flugzeug saß.
Napolitano ruderte zurück und sagte dann, dass das alles nicht so gemeint gewesen sei und dass das System in diesem Fall versagt habe. Was sie eigentlich habe sagen wollen, sei, dass die Terrorabwehr unmittelbar nach dem Attentat gegriffen habe. Aber auch dieser Versuch hatte eher den gegenteiligen Effekt.
Dass die Terrorbekämpfung der Obama-Regierung massive Lücken aufweist, lässt sich nicht mehr bestreiten. "Das ist die ernsthafteste Krise seiner Präsidentschaft", kommentierte Jacob Heilbrunn auf dem linksliberalen Nachrichtenportal Huffington Post. "Die Reaktion auf das Attentat von Detroit erinnerte stark an die unbeholfenen Versuche der Bush-Regierung, ernsthafte Gefahrenabwehr durch Public Relations zu ersetzen. Obamas leichtfertige Reaktion auf diesen Akt des Terrorismus ist alarmierend."
Der Hinweis des Präsidentenberaters David Axelrod, dass die meisten Antiterrormaßnahmen von Obamas Vorgänger eingeführt wurden, war wenig hilfreich. Fakt ist, dass sie nicht gegriffen haben und dass Obamas Regierung im Amt ist. Sie hätte ausreichend Gelegenheit gehabt, die massiven Mängel bei der Flughafensicherheit zu beheben, die am Dienstag die New York Times aufdeckte.
40 Milliarden Dollar habe die US-Regierung seit 2001 für die Flugsicherheit ausgegeben, schrieb die Zeitung. Es sei zwar einiges besser geworden, so der Zeitungsbericht, es habe aber gleichzeitig sehr viel Verschwendung und Bürokratie gegeben.
So habe die Transportsicherungsbehörde TSA seit Jahren ein Programm in der Schublade, das es erlaube, die Daten von Fluggästen mit Terrorwarnlisten abzugleichen. Es sei nur noch nicht dazu gekommen, dieses Programm auch in Betrieb zu nehmen. Darüber hinaus wurden viele Millionen in Technologien investiert, die einfach nicht funktionierten, wie etwa eine neue Generation von Bombendetektoren, die nach 2004 installiert werden sollten, doch im Versuchsstadium versagten.
"Wir haben als Steuerzahler im Bereich der Flughafensicherheit auf keinen Fall den Gegenwert für unser Geld bekommen", sagte der Chefredakteur des Journals für Transport-Sicherheit, Andrew Thomas, der Times. Schlimmer noch als die Behäbigkeit war für Obama das Al-Qaida-Bekenntnis zum Attentat von Detroit, das am Montag im Internet gefunden wurde. Zudem mehrten sich Hinweise auf ein von langer Hand im Jemen vorbereitetes Terrorkomplott unter Beteiligung ehemaliger Guantánamo-Häftlinge.
Zwei von insgesamt vermutlich vier Drahtzieher des Anschlages sollen nach einem US-TV-Bericht Ex-Insassen des Gefangenenlagers sein. Dass al-Qaida offenbar eine starke Präsenz im Jemen hat, von der aus das Terrornetzwerk internationale Aktionen plant, stellt Obamas neue Afghanistan-Strategie infrage. "Während Terroristen - wie inkompetent sie auch sein mögen - überall in der Region Anschläge planen", schrieb Michael Brenner, Forscher am renommierten Außenpolitik-Thinktank "Center for Transatlantic Relations", "schieben wir sisyphushaft immer weiter unsere Steine den Hindukusch hinauf."
Der Gedanke, dass Amerika sicher sei, wenn man nur Afghanistan befriede, sei nach Detroit endgültig ad absurdum geführt. Es muss eine klügere Antiterrorpolitik her. Derzeit wirkt Washington nämlich eher hilflos.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs