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Panne bei Tour de FranceDopingprobe ganz spontan

55 Minuten sollen Radler Zeit gehabt haben, sich auf eine Kontrolle vorzubereiten. Kritiker sehen sich bestätigt: Der Kampf gegen Doping ist lästig.

Kennt Dopingvorwürfe: Lance Armstrong. Bild: ap

Sehr stolz präsentierten die hohen Herren von UCI, AFLD und ASO das Dopingkontrollprogramm der jetzigen Tour de France. Über 500 Kontrollen soll es geben, die meisten davon Zielkontrollen. Verdächtige Fahrer - verdächtig wegen ihrer Leistung und/oder wegen der gesammelten Hormon- und Blutparameter - werden überraschend von den Dopingkontrolleuren aufgesucht. So lautete der Plan. Und die tapfere französische Sportministerin Roselyne Bachelot scheute sich nicht, das Ziel der Ziele auch namentlich zu benennen. Lance Armstrong werde besonders, besonders, besonders unter die Lupe genommen, versprach die Dame.

Ein echter gelernter UCI-Dopingkommissar hat freilich seine ganz eigene Auffassung von "besonders". Und auch von "überraschend". Wie der Dopingspezialist der L'Équipe, Damien Ressiot, herausgefunden hat, zögerte ein ansonsten sicherlich untadeliger Dopingjäger der Schweizer Radsportbehörde eine überraschende Dopingkontrolle der Herren Armstrong, Leipheimer, Klöden und Contador um geschlagene 55 Minuten hinaus. Der Kontrolleur trank geruhsam einen Kaffee im Kreise einiger Repräsentanten des Astana-Teams und bequemte sich erst danach zu seiner Aufgabe. In 55 Minuten kann man sein Blut so verdünnen, dass eine künstliche Zufuhr von roten Blutkörperchen nicht mehr auffällt. Auch andere Parameter lassen sich in dieser Zeit manipulieren. Wer bei vermeintlich überraschenden Kontrollen solche Karenzzeiten zulässt, muss sich dem Verdacht aussetzen, nur bestätigen zu wollen, dass alles in Ordnung sei. Manipulationen auf die Spur kann man so aber nicht kommen. Der Vorfall, der sich ausgerechnet nach der ersten Bergetappe nach Andorra zugetragen haben soll, ist Wasser auf die Mühlen der alten Gerüchte, dass bestimmte Kreise in der UCI gar nicht so genau wissen wollen, was in den Fahrerkörpern alles zirkuliert.

Immer wieder kursieren Gerüchte über mit UCI-Label versehene Labore, die auf Anfrage fein austarieren, bis zu welcher Dosis bestimmte Mittel nicht nachweisbar sind. Der Vorfall bestätigt Gerüchte, nach denen Personen aus dem Kreise der UCI Informationen über Zeitpunkt und Ort von Kontrollen vorfristig bekannt geben. Und er bestätigt den alten Verdacht, dass Kontrolleure geneigt sein können, sich mit den Kontrollierten anzufreunden und ihnen daher geneigter zu sein. Bekannt geworden ist das Geschehen im Teamhotel von Astana nur, weil die Konkurrenz-Kontrolleure der französischen Antidopingbehörde AFLD gleichzeitig ihrer Arbeit nachgingen und sich über das Verfahren ihrer Schweizer Kollegen gewundert haben.

So steht es jedenfalls in der L'Équipe. AFLD-Präsident Pierre Bordry will auf taz-Nachfrage den Vorfall weder bestätigen noch dementieren. "Kein Kommentar", sagt er per Telefon. UCI-Präsident Pat McQuaid streitet den Vorfall rundheraus ab. "Es stimmt nicht, was in der L'Équipe steht, sagt er. Eine Verzögerung habe es aber doch gegeben, gibt er zu. "Der Raum, der für die Kontrollen vorgesehen war, war noch mit Fahrern von Saxo-Bank belegt", erzählt er. Wie lange die dadurch entstandene Verzögerung war, mag er nicht sagen. Und auch nicht, wie dieses Konzept von Überraschung ins ach so feine Antidopingprogramm der UCI passt.

Astana-Teamsprecher Philippe Maertens liefert eine Version der Geschichte, die der in der L'Équipe veröffentlichten recht nahe kommt. "Sonnabend früh ist ein Kontrolleur von der UCI in unserem Hotel aufgetaucht. Es war noch sehr früh. Die Fahrer schliefen noch. Das Hotel war ganz nah am Start. Wahrscheinlich ist der Kontrolleur deshalb so früh hier eingetroffen. Wir haben ihm gesagt, dass es noch sehr früh sei. Und er hat beschlossen zu warten. Das war seine Entscheidung." Lance wird es freuen. Im Frühjahr konnte er duschen, während ein AFLD-Kontrolleur draußen wartete. Jetzt konnte er schlafen, und der UCI-Kontrolleur trank Kaffee. Prima Kontrollen. Prima sauberer Radsport.

Pierre Bordry, der Präsident der Antidopingbehörde, will den Vorfall weder bestätigen noch dementieren

"Der Raum, der für die Kontrollen vorgesehen war, war noch mit Fahrern von Saxo-Bank belegt"

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8 Kommentare

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  • R
    Radfahrer

    Aber der Einstich ist nicht nach 55 Minuten verschwunden. Wer schon mal Blutspenden war und auch noch Pech hatte war tagelang gekennzeichnet Warum sollte dies bei Profiradfahrern anders sein?

  • M
    Miguel

    Die Kommentatoren bei Eurosport haben es ganz gut auf den Punkt gebracht: Deutschland ist kein Radsportland. Wäre es eines, dann wäre man nicht so gekränkt von den Radsportlern, die man eben noch als Halbgötter gefeiert und jetzt als Unmenschen abstempelt. Wer sich über Jahrzehnte für den Radsport begeistert hat, der sieht zwar in den Methoden des Dopings eine neues Niveau, aber dass Doping mit dem Radsport verbunden ist, sollte eigentlich niemanden erschrecken, der sich ernsthaft und langjährig mit dieser Leidenschaft beschäftigt hat.

  • D
    DonnyK

    Tour de France? Ich guck lieber Wrestling.

  • O
    ole

    Und das witzigste an der Tour ist, daß ausgerechnet die Leute die Foren mit ihren Kommentaren voll machen, die sich ja angeblich nicht mehr dafür interessieren...

  • E
    Ein "Außenseiter"

    Liebe Leute,

     

    ich bin mehr als ein "Außenseiter"! Ich bin mit 19 Jahren mit nem Kumpel (und Gitarre und "Pott") das Stilfser Joch, den Restefond/La Bonette und den Galibier geradelt...und und und (damals noch Pfadfinder und immer noch Pfadfinder!!!) mit nem 3-Gang-Rad (Torpedo-Fichtel % Sachs - Schaltung). Vielleicht waren wir damals wirklich die "Heros"... Was ich dann von der "Tour de France" und anderen "Rennen" mitbekommen habe, hat in uns nur das "kalte Grausen" ausgelöst: Diese Leistungen, diese Geschwindigkeiten gehen halt einfach nicht mit Pasta und Rotwein und so...

     

    Aber das wissen wir doch eigentlich alle seit den 70ern (und zwar in allen Disziplinen) oder???

     

    Deswegen verstehe ich die Diskussion um Doping und so irgendwie nicht mehr, weil doch sowieso alles klar ist!!!

  • G
    Gachmuret

    Nun,

     

    ich halte es hier mit Volker Pispers:

    Sollen sie doch dopen, aber ich bin dafür, daß auf dem Trikot steht, was sie genommen haben.

     

    Der Radsport ist von Anbeginn verseucht. Erinnert sich hier noch wer an den Spitznamen "Die rollende Apotheke"? Altigs Karrierebeginn ist fünfzig Jahre her. Die "Festina-Affäre" (1998)? Fuentes (2006 ff.)? Anyone?

    Erstaunlich, daß da irgendjemand wegen Dopings erst letztes Jahr ausschaltet...

    Und selbst Dopingtote von Tom Simpson (1967) bis Marco Pantani (2004) halten etliche Sportler nicht davon ab, zu tun, was alle tun.

    Es ist illusorisch zu glauben, die meisten würden ohne Hilfsmittel fahren - im Hochleistungsradsport würde es mich eher wundern, wenn tatsächlich irgendwer sauber wäre. Und auch ansonsten glaube ich nicht, daß wirklich auf Dinge verzichtet werden, wenn sie nicht ohne weiteres nachweisbar sind.

     

    Im Übrigen kommt bei der Tour noch etwas ganz anderes hinzu:

    Der Profiradsport ist der Verkauf von Werbeflächen. Und Werbeflächen müssen attraktiv sein. Es liegt überhaupt nicht im Interesse der Teammanager oder gar der Rennveranstalter, ihre Werbeflächen zu beschädigen. Also erfüllt man scheinbar diverse Auflagen, verkauft sich als sauber und korrekt und die Welt ist in Ordnung.

    In anderen Zusammenhängen nennt man das "Greenwashing" - und nichts anderes passiert hier.

  • F
    funkymonkey

    einzige überraschende an der tour der france ist das es nach wie vor menschen gibt die sich den zirkus anschauen

  • E
    ex-tour-fan

    wer einen kontroleur 55 minuten warten läst hat dreck am stecken, besser wohl im blut.

    um die tour wieder glaubhaft zu machen müßten alle vier disqualifiziert werden.

    das ganze ist mir aber im grunde egal weil für mich die tour spätestens seit letztem jahr gestorben ist.