■ Pampuchs Tagebuch: Die kleinen Freunde in uns drin
Heute wollen wir ein wenig in die Welt der Wissenschaft eindringen. Anlass ist uns das spannende und doch vielerorts sehr unterschätzte Thema Milchsäure. Meine Freundin E., von Haus aus Biologin, inzwischen hoffnungsvolle Journalistin beim bayerischen landwirtschaftlichen Wochenblatt (eine Zeitung, deren Auflage weitaus größer ist als die der taz) bat mich neulich, einmal im Internet zu gucken, was in den Weiten des Netzes zu diesem Thema zu fischen sei. Das „Wochenblattl“, wie es hier in Bayern liebevoll genannt wird, existiert seit 189 Jahren und die Gärungsprozesse einer solchen Zeitung verlaufen deshalb in ruhigen Bahnen. Zwar hat heute jeder Bauer seinen Computer im Kuhstall, aber die Internetrecherche steckt bei der Bauernzeitung noch in den Anfängen. Da fragt man dann doch gerne bei den Kollegen vom Revoluzzerblattl aus der Hauptstadt nach.
Nun muss ich gestehen, dass mich die Milchsäure bislang in meinem Leben wenig umgetrieben hat. Also bat ich E., mir bei der Recherche zu helfen, schließlich wisse sie ja besser, was sie da für ihre ländliche Leserschaft herausbekommen wolle. Ich hingegen, der „Stodera“ (Städter) wolle nur der dienende Knecht sein. Ich klickte meine Lieblingssuchmaschine Altavista an und nach kurzer Beratung gaben wir einfach „Milchsäure“ als Suchbegriff ein. E. staunte nicht schlecht, als wir gleich 1028 Webpages geliefert bekamen, beginnend mit „Vegetarian Recipes around the World“ über diverse Webpages zu (alkoholfreiem) Ökobier bis hin zu einer ansprechenden Champagnersite, der wir entnahmen, dass viele große Häuser der Champagne bei der Herstellung ihrer Produkte „der ersten Gärung die Milchsäuregärung folgen lassen“.
Dennoch moserte E., dass dieser erste Fischzug „nix Gscheits“ erbracht habe. Also grenzten wir die Suche ein und versuchten es mit „Milchsäuregärung“. Altavista spuckte immer noch 89 Websites aus und nun wurde es lustig. Grund dafür war gewiss die Tatsache, dass es nun hauptsächlich um Sauerkraut ging. Doch auch der Joghurt kam nicht zu kurz, wie überhaupt der Segen der Milchsäuregärung für die Menschheit im Allgemeinen und die Darmflora im Besonderen sich uns nun in all seiner Pracht erschloss. Von den Sumerern erfuhren wir, die bereits vor 8.000 Jahren ihre Milch „sauergelegt“ haben, vom Siegeszug der Milch durch die Weltgeschichte, die ohne Milchsäurebakterien überhaupt nicht möglich gewesen wäre oder doch einen ganz anderen Verlauf genommen hätte. Auch von unseren Urgroßmüttern wurde da berichtet, die einen Teil des im Garten geernteten Gemüses haltbar machten, indem sie es mit Salz zum Gären brachten. Altavista versorgte uns auch mit erhellenden Sites zu Speisen und Getränken ferner Länder. Der „Teepilz Kombucha“, etwa, ein wahres „Gesundheitselexier“ tauchte auf vielen Adressen auf, ebenso der osteuropäische Brottrunk „Kwass“, der – will man der Website von „Schrot und Korn“ (www.naturkost.de) glauben – auch bei uns wieder auf dem Vormarsch und höchst milchsauer ist. Surfen bildet, den Städter wie den Bauersmann. Angesichts eines Satzes wie „Nur wenn die rund 300 qm große Schleimhaut des Dickdarms mit einer Vielzahl von Mikroben besiedelt ist, bleiben unsere Abwehrkräfte rundum fit“, ergreift einen dann doch eine gewisse Ehrfurcht – nicht nur vor dem gestirnten Himmel über uns, sondern auch von dem bakteriellen Gewusel in uns. Es ist schön, Freunde zu haben in diesem Kosmos. Und einer der besten Freunde des Menschen ist das kleine Milchsäurebakterium. Thomas Pampuch ThoPampuch@aol.com
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