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■ Pampuchs TagebuchWispern mit Sabine Christiansen

Na, das war ja wieder mal ein Sonntagabend. Sitzt man müde nach einem herrlichen, joldenen Oktober zu Haus vor der Glotze, und auf einmal kommt einem Bill Dagobert Gates ins Haus geschneit. Und dazu noch Edmund Stoiber und dazwischen Sabine Christiansen, die wir doch letzte Woche gerade mit den alten SPD-Kämpen, dem faltigen Geißler und dem Oskar sich erhitzen gesehen haben. Und nun schon wieder so ein Highlight – rein personalpolitisch gesprochen. Weil ich aber am Sonntag so müde war und nicht mehr mitgekriegt habe, was die wichtigtuerischen Herrschaften da alles erzählt haben über Globalisierung, neue Chancen, Kräfte des Marktes und den Kapitalismus und so, habe ich mir Montagabend sabine-christiansen.de angeklickt. Wollte doch mal sehen, wie die so ein Medienereignis internettechnisch aufarbeiten. Wo man doch jetzt beim Fernsehen andauernd auch noch wehwehwehs mit auf den Weg bekommt.

Also erst mal erscheint im Banner oberhalb von Sabine der Lafontaine mit seinem Buch. Bis sich die Seite so richtig aufgebaut hat, ist aber schon ein Weinquiz an seine Stelle getreten. Hat er also den Grassschen Rat zumindest zur Hälfte befolgt. Dann ist er aber gleich wieder da, und das Ganze erweist sich als Reklame für bol.de, den Internetbuchladen, der das Maul nicht halten kann. Inzwischen habe ich mir Sabines Vita angeklickt. Kommt ihr Autogrammbild, das einfach nicht scharf werden will, und außerdem ein paar wichtige Informationen, wie dass sie Flugbegleiterin war und niemanden „präzeptoral überrumpeln will, um billig an Statur zu gewinnen“. Hätte sie mit Stoiber und Gates aber ruhig mal versuchen können. Dazu gibt es Archiv- und Hintergrundlinks der sehr allgemeinen Art, wie das Grundsatzprogramm der SPD, die Seite des Auswärtigen Amtes und allerlei zum Millennium. Außerdem Pompöses (der einzige wirkliche Nachschlag zur Sendung) über die Bill and Melinda Gates Foundation. Die haben eine umfangreiche Webseite, wo man lange Listen einsehen kann, was die beiden so Tag für Tag stiften und wem. Macht was her, ist aber auch nicht gerade das, was ich mir als kritische Aufarbeitung der Diskussion vorgestellt habe. Eher so was wie Gates of heaven. Also beiß ich in den sauren Apfel und klicke mich in den sabine-chat ein.

Nun bin ich nicht der gelernte Chatter. Mich verwirrt das immer. Immerhin habe ich nach einer Viertelstunde begriffen, dass ich auch „wispern“ kann – wenn ich nämlich auf das gestrichelte Wölkchen klicke; nach einer weiteren Viertelstunde, dass Wispern heißt, mit Einzelnen zu chatten, nicht mit allen (man muss sie aber extra anklicken). Also habe ich mit einer gewissen Maren gewispert. Und mich gefreut als sie zurückgewispert hat. Hat jetzt aber auch nicht so den Globalisierungsdurchbruch gebracht. Dann habe ich noch rausgefunden, dass man auch denken kann (wenn man die Wölkchenwolke anklickt). Gedacht wurde bei dem Chat aber nur ganz wenig. Dann waren noch zwei andere Wölkchen da, aber was die sollten, habe ich nicht verstanden und hat mir auch keiner wispern können. So haben wir zu viert und dann zu fünft ein Weilchen dies und das gechattet. Einer meinte, den Bill Gates gebe es gar nicht. Ein anderer wollte mir irgendwas verkaufen, und Maren meinte, es seien einige Frauenfeinde im Chat. Auf die Globalisierung sind wir nicht direkt gekommen. Einer hat den Bertelsmannfritzen noch für schwul gehalten, aber das war ja nun echt kein wirklich ernsthafter Beitrag zur Globalisierungsproblematik. Sabine hat sich nicht blicken lassen, die hat vermutlich mit Bill Gates irgendwo gewispert. Am nächsten Sonntag gucke ich, glaube ich, wieder Fernsehen. Ohne www. Nicht chatten, glotzen. Thomas Pampuch

ThoPampuch@aol.com

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