: Pädagogen sind keine Flachpfeifen -betr.: "Bunter Gewaltnachmittag", taz vom 12.1.95
Betr.: „Bunter Gewaltnachnittag“, taz vom 12.1.
„Am 11. Januar 1995 trafen sich SchülerInnen und LehrerInnen des Schulzentrums Drebberstraße, sowie Mitarbeiterinnen der Jugendbildungstätte Lidice-Haus und des Bürgerhauses im Bürgerhaus Hemelingen. Präsentiert wurden die Videoproduktionen, die 25 SchülerInnen im Rahmen des Hemelinger Wettbewerbes ,Gewalt an der Schule – ohne uns' erarbeitet hatten.“ Das wäre, in zwei häßlichen Sätzen zusammengefaßt, die Meldung gewesen. Die findige Berichterstatterin Dora Hartmann jedoch macht eine Kritik pädagogischer Unfähigkeit daraus, in der sie den Schulleiter der Drebberstaße altbacksch in der eigenen Vergangenheit herumstochern läßt, anstatt sich den Problemen der Jugendlichen zu widmen: journalistisch sauber aus dem Zusammenhang gerissen!
Den Sozialpädagogen des Freizis, den sie messerscharf als „Mittvierziger“ outet, dem „spürt“ sie ab, daß mit seiner Einladung an die Jugendlichen, das Freizi zu besuchen „etwas nicht stimme“. Hilflosigkeit bei den Erwachsenen, so das Resümee, allenthalben.
Besonders gelungen der Titel des Artikels: „Bunter Gewaltnachmittag“. Den nämlich, so die Berichterstatterin, möchte ein Mitarbeiter des Lidice-Hauses im Bürgerhaus veranstalten. Haha. Natürlich ist es bitter, wenn man Ironie wörtlich nimmt, insbesondere, wenn frau das dann ungeschlacht veröffentlichen darf. Ironie übrigens, die die Jugendlichen nicht eine Sekunde lang Schwierigkeiten hatten zu begreifen. Das scheint uns jedoch lediglich für die kommunikative Kompetenz der Journalistin bitter zu sein.
Das eigentlich Ärgerliche an dem Artikel ist, daß hier ein ernsthafter Versuch von Schule, Jugendbildungsstätte und Bürgerhaus zur Kooperation, in dessen Mittelpunkt eine eigenständige Arbeitsleistung von 25 SchülerInnen steht, bedenkenlos geopfert wird. Geopfert der Profilneurose einer Journalistin, die unbedingt zeigen will, daß sie den gesellschaftlichen Durchblick hat, während die Pädagogen halt Flachpfeifen sind.
Jutta Schemmer-Erling, Leiterin des Bürgerhauses Hemelingen, Katja Hoffmann und Kersten Prasuhn, freie MitarbeiterInnen, Lidice-Haus
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