PUTIN 3: KEIN SCHNAPPEN NACH DER HAND, DIE EINEN FÜTTERT : Holzpellets gegen den Tschetschenienkrieg
Deutschland hängt an Russlands Tropf. Zumindest, wenn es um die Energieversorgung geht. Über die Hälfte der deutschen Haushalte heizen mit Erdgas, mindestens jeder dritte Kubikmeter des Rohstoffs kommt aus Russland. Ist erst die Ostseepipeline gebaut, wird diese Abhängigkeit noch steigen. Durch die neue Röhre wird ab 2010 etwa die Hälfte des jetzigen deutschen Jahresverbrauchs strömen. Insofern kann die zurückhaltende Kritik der Bundesregierung an Putins Politik auch als Beißhemmung gegenüber der fütternden Hand gesehen werden. Schließlich haben Care-Pakete und Marshallplan einen ähnlich mildernden Einfluss auf die deutsch-amerikanischen Beziehungen gehabt, was bis zum Ende des Kalten Krieges anhielt. Und dass die staatliche Gazprom im Falle eines Konfliktes nicht zögert, Gas auch als politisches Druckmittel einzusetzen, hat bereits die Ukraine zu spüren bekommen.
Allerdings ist die deutsche Abhängigkeit von Russlands Gasreserven zu einem Gutteil nur gefühlt. Der Kunde hat gegenüber dem Lieferanten ebenfalls Macht. Schließlich braucht Russland die Deviseneinnahmen aus seinem Energiegeschäft, um damit das Ausbleiben von innenpolitischen Strukturreformen zu finanzieren. Deutschland und die EU besitzen deshalb politischen Einfluss. Und diese Verhandlungsposition Deutschlands wächst mit möglichen Alternativen zu den russischen Gaslieferungen.
Da wäre zunächst die Flüssiggastechnologie, die einen Transport per Schiff ermöglicht und so die Zahl der Lieferländer deutlich erhöht. Auch als Treibstoff für Autos ist Flüssiggas eine in anderen Ländern erprobte Alternative. Hinzu kommen die erneuerbaren Energien. Brennstoffzellen mit Wasserstoff als Energieträger sind nicht mehr weit von der Serienreife entfernt. Und wer bereits jetzt sein Wasser von der Sonne erwärmen lässt oder sein Haus mit Holzpellets aus heimischen Wäldern heizt, hat weniger Angst davor, dass Russland den Gashahn zudreht – und ermutigt so die Bundeskanzlerin, Putins autoritäres System stärker zu kritisieren. STEPHAN KOSCH