PROSYRISCHE KREISE PROFITIEREN VOM ATTENTAT IN BEIRUT : Der Finger zeigt auf Damaskus
Es dürfte Baschar al-Assad nicht viel nützen, dass er die Ermordung des ehemaligen libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri gestern sofort verurteilte. Denn auch wenn der syrische Präsident das Attentat nicht selbst in Auftrag gegeben haben sollte: Der Finger zeigt auf Damaskus oder in Richtung der prosyrischen Kreise im Libanon, deren politische Existenzberechtigung von der Rückendeckung des Paten in Damaskus abhängt und die diesem deswegen als „fünfte Kolonne“ dienen.
Das letzte Mal wurden diese Gruppen aktiv, als im Herbst die Neuwahl eines libanesischen Präsidenten anstand: Émile Lahoud, von vielen als Marionette der Syrer betrachtet, durfte nach den Regeln der Verfassung nicht erneut kandidieren. So kam Damaskus auf die Idee, man könne doch diese Verfassung ändern. Mithilfe seiner „Ortskräfte“ setzte Syrien durch, dass Lahoud für weitere drei Jahre gewählt werden konnte. Grund genug für verärgerte libanesische Politiker verschiedenster Couleur, zurückzutreten, allen voran Hariri.
Hariris alte Kontakte nach Saudi-Arabien waren genauso günstig wie seine hervorragenden Beziehungen zu Frankreich und anderen westlichen Ländern. Einen Mann seiner Statur, seines Engagements und seiner Durchsetzungskraft hat der Libanon schon lange nicht – vielleicht nie – gehabt, und es ist keiner bekannt, der Hariri auch nur annähernd das Wasser reichen könnte. Angesichts der Probleme des Landes, zum Beispiel der Milliarden Schulden, wird sich der Verlust Hariris besonders schmerzhaft auswirken: Wie kein Zweiter konnte er seine internationalen Beziehungen spielen lassen, und wie kein Zweiter konnte er es sich auch erlauben, gegen den syrischen Hegemonieanspruch auf Libyen aufzustehen. So ungewöhnlich Hariri freilich auch war, so libanesisch ist doch auch sein Tod: Die größten und wichtigsten Politiker des Landes wurden umgebracht. Und nicht zum ersten Mal fällt der Blick dabei auf Damaskus.
PETER PHILIPP
Peter Philipp ist Nahostexperte der Deutschen Welle