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Archiv-Artikel

PRO & CONTRA: LIEGT IN DER VERTEILUNGSPOLITIK DIE SPD-ZUKUNFT? NEIN Lernen für den Markt

Die gerechte Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums bildet seit Jahrhunderten den Kern linken Denkens. Das soll auch so bleiben, aber eine Anpassung an die veränderte Realität ist unvermeidbar. Die linke Volkspartei SPD muss ihren Begriff von Gerechtigkeit erweitern. Mit einer Rückbesinnung auf die alte Verteilungsgerechtigkeit kommt sie nicht weiter.

Linke und Linksliberale müssen sich selbst Rechenschaft darüber ablegen, dass in den vergangenen 30 Jahren mehrere Dinge passiert sind, die in ihren früheren Theorien nicht vorgesehen waren. Durch die neue Globalisierung seit 1989 hat die internationale Konkurrenz erheblich zugenommen. Nicht nur stehen die hiesigen Löhne und Arbeitsverhältnisse unter Druck, sondern die Investoren genießen auf dem Weltmarkt eine viel größere Bewegungsfreiheit als früher. Sie entziehen sich der nationalen Gesetzgebung und zahlen ihre Steuern, wo sie wollen – oder auch nicht. Damit sinken die Einnahmen des Staates. Zugleich verändert sich der altersmäßige Aufbau der Gesellschaft. Weniger Junge müssen für mehr Ältere aufkommen. Das bedeutet höhere Kosten.

Dies sind nur zwei Gründe, warum der Spielraum für Umverteilung geringer wird. Während früher alle Gruppen der Gesellschaft aus dem hohen Wirtschaftswachstum problemlos ihren Anteil erhalten konnten, bedeutet Umverteilung heute, die eine Gruppe auf Kosten einer anderen zu bevorteilen. Viel schneller und heftiger geraten Politiker, die Verteilungsgerechtigkeit propagieren, deshalb in Konflikt mit den mächtigen Wirtschaftsinteressen. Umverteilung wird heute eher zur Machtfrage als früher – und ist deshalb schwerer durchzusetzen.

Um Gerechtigkeit zu erreichen, wird die Gesellschaft künftig die individuelle Leistung stärker betonen. Damit die Spaltung in Arm und Reich aber in Grenzen bleibt, muss der Staat die Bürger darin unterstützen, auf dem Markt zurecht zu kommen. Das heißt: mehr Geld für bessere Kindergärten, Schulen und Universitäten, mehr Beratung für die Gründung selbstständiger Betriebe. HANNES KOCH