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Archiv-Artikel

PRESS-SCHLAG Mehr! Mehr! Mehr!

GIER Der deutsche Ligaverband DFL will auch so einen supergeilen TV-Vertrag wie in England – und findet hierfür willfährige Verbündete in den Medien

Ein Schock, der tief sitze, sei der neue TV-Vertrag der englischen Premier League. Ein Schock für die Bundesliga. Sogar von einer „medialen Atombombe“ spräche man im Ligaverband DFL, berichtete Handelsblatt-Kolumnist Hans-Peter Siebenhaar. Eine Atombombe, abgeworfen von Sky und British Telecom. Sie zahlen den Löwenanteil der mehr als 3 Milliarden Euro, die sich die Premier-League-Klubs ab 2016 pro Saison teilen müssen. Allein rund 800 Millionen sollen aus der Auslandsvermarktung kommen. Jährlich.

Die Bundesliga bekommt 2016/2017 insgesamt nur – schnief – 835 Millionen Euro pro Jahr. Lediglich – schluchz – 160 Millionen Euro sind aus dem Ausland eingeplant. Ein „vergleichsweise bescheidener Betrag“, schreibt Siebenhaar. „Die Fußball-Bundesliga verkauft ihre Medienrechte noch viel zu preiswert.“ Damit müsse Schluss sein. Er fordert: Bundesliga nur noch im Pay-TV, und die „Sportschau“ muss weg, die sei eh nur ein „Zugeständnis der DFL an das Erste“. Kurzum: „Nur so lassen sich Spitzenpreise erreichen.“

Endlich Spitzenpreise! Geil!

Nur: Wem nützen die? Den Bilanzen der Klubs? Eher nicht. Die Premier League hat schon in der Saison 2012/2013 3,7 Milliarden Euro Umsatz gemacht (Bundesliga: 2,17 Milliarden) – und dabei 480 Millionen Euro Verlust erwirtschaftet. Klingt nach einem super Modell mit Spitzenpreisen, dem die Bundesliga, die im selben Zeitraum ein Plus von gut 60 Millionen erreichte, unbedingt nacheifern sollte.

Nützen Spitzenpreise dem sportlichen Wettbewerb? Sehr teuer eingekaufte Spieler, die sehr viel Gehalt bekommen, spielen in der Premier League Fußball, der nicht attraktiver ist als anderswo. In den europäischen Wettbewerben setzen die englischen Klubs derzeit auch keine Maßstäbe. Und die Nationalmannschaft – ach.

Den Fans? Hahaha.

Warum also fordern nun sogar schon Journalisten völlig unreflektiert, mehr Geld in einen Markt zu pumpen, der damit eh nichts anzustellen weiß? Warum darf Liga-Boss Christian Seifert in der Bild ohne eine kritische Nachfrage seinen Ruf nach „unpopulären Maßnahmen“ ertönen lassen, die dringend benötigt würden, „um weiter die besten Spieler der Welt in der Bundesliga zu halten“? Was natürlich nichts anderes bedeuten würde, als eine weitere Zerfledderung des Spieltags.

Bei den beiden Genannten ist die Antwort recht schnell gefunden: Sie eint die Ablehnung der „Sportschau“. Siebenhaar kann die Öffentlich-Rechtlichen nicht leiden, wie sein subtiler Buchtitel „Die Nimmersatten. Die Wahrheit über das System ARD und ZDF“ erahnen lässt, und die Bild ist mit ihren Videoschnipseln von Bundesligaspielen direkter Konkurrent der „Sportschau“. Auch die würde es also freuen, wenn die Bundesliga endlich komplett im Bezahlfernsehen verschwinden würde. Also werden fröhlich Nebelkerzen geschmissen: Die Wettbewerbsfähigkeit der Bundesliga ginge verloren, würde nicht bald mehr Umsatz mit den TV-Rechten gemacht.

Dass die Auslandsvermarktung der Bundesliga grottenschlecht ist. Dass in England Sponsoren werben, die in erster Linie auf internationale Wirkung bedacht sind. Dass sich ein Produkt aus dem angloamerikanischen Raum besser verkaufen lässt als ein deutsches, das geht im Getöse um „Mehr! Mehr! Mehr!“ unter. Leider. JÜRN KRUSE